Regierungskoalition bleibt geschlossen – und am Ende punktet sogar Kristina Schröder gegen Ursula von der Leyen

Berlin. Was hat eigentlich Madeleine Albright für Frauen getan? Man wüsste es zu gern. Wegen der Sache mit der Hölle. Und um die Frage zu beantworten, wie viel Frauenförderung nötig ist, um der Hölle Richtung Himmel zu entgehen. Doch für den komplizierten Faktencheck hat an diesem Donnerstagmittag im Bundestag niemand die Muße. Die ehemalige Außenministerin der USA wird von Rednerinnen der Opposition zweimal zitiert, um drei Damen auf der Regierungsbank mit einem bösen Fluch zu belegen. „Es gibt einen speziellen Platz in der Hölle für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen“, so lautet das Bonmot von Frau Albright.

Nachdem es die SPD-Politikerin Caren Marks vorgetragen hat, dreht sie sich nach rechts und spricht die Adressatinnen ohne den Anflug von Ironie direkt an: „Frau Merkel, Frau Schröder, Frau von der Leyen!“ Die reagieren höchst unterschiedlich. Ursula von der Leyen sitzt weiterhin ungerührt da, Kristina Schröder schüttelt getroffen den Kopf, Angela Merkel reckt ihn in die Höhe und nickt dann vielsagend, als wollte sie signalisieren: „Pass auf, das merke ich mir.“ Man weiß, dass Merkel solche Momente auf ewig abspeichert.

Es ist nicht das erste und letzte Mal, dass nun Tumult im Parlament entsteht. Es wird gelacht, gezischt, geklatscht, dazwischengerufen, die Stifte der Stenografen fliegen über die Blöcke. Die Temperatur im Bundestag lässt sich auch ermessen, indem man die Unflätigkeiten summiert, mit denen einander Opposition und Regierung im Laufe der gut 100 Minuten dauernden Debatte über die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote in Aufsichtsräten von DAX-Unternehmen bedenken: „Umfaller“ (Grüne zu Union), „Betrüger“ (Grüne zur Union), „schäbig“ (Union zu Grünen), „ignorant“ (SPD zu Union), „ehrlos“ (SPD zu Union), „scheinheilig und verlogen“ (Union zu SPD und Grünen) und so weiter und so fort.

Dabei stand der Ausgang der Debatte seit Tagen fest. Die Koalition würde mit ihrer Mehrheit die Gesetzesvorlage des Bundesrates zur Einführung einer Quote von 20 Prozent in den Aufsichtsräten ab 2018 ablehnen. Doch obwohl sich in dieser Frage die Argumente pro und kontra Quote in den vergangenen Jahren, ja Jahrzehnten wiederholen, ließen sich die Gemüter dennoch ziemlich erregen. Es ist die CDU-Politikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker, die den Grund dafür benennt: „Interessant ist nicht die Sache selbst. Sie ist austauschbar. Es geht hier nur noch um die Machtfrage. Wer hat gewonnen, wer ist geschwächt.“ Das sei der Punkt, an dem es für verantwortliche Politiker nicht möglich sei, zuzustimmen. Damit stellt sich Winkelmeier-Becker schützend vor eine, die sich eigentlich selbst schützen kann: Ursula von der Leyen.

Schröder vermied geschickt, den Konflikt mit der Kollegin zu schüren

Die Arbeitsministerin verfolgte die Debatte konzentriert. Sie wusste: Es geht hier vor allem um sie. Die Drohung von der Leyens, mit mehreren Unions-Frauen und wenigen Männern um Winkelmeier-Becker und die Vorsitzende der Gruppe der Frauen, Rita Pawelski, dem rot-grünen Antrag zuzustimmen, hatte diese Diskussion überhaupt erst zu einem Showdown stilisiert. Eng waren dabei die Absprachen zwischen den Unionsfrauen und vor allem den Grünen. Die Allianzen wurden über Wochen geschmiedet. Am Ende waren sie so offensichtlich und solide, dass Merkel und ihr Fraktionschef Volker Kauder handeln mussten. Die Koalition stand auf dem Spiel. Am Montag vereinbarten sie mit den Frauen einen Kompromiss. Ab 2020, so wird es sich die Union ins Wahlprogramm schreiben, sollen in den Führungsetagen 30 Prozent Frauen sitzen. Danach wird dies eine gesetzliche Quote vorschreiben. Kauder machte im Bundestag Zusagen, wann ein entsprechendes Gesetz beschlossen wird: „Gleich zu Beginn der Legislatur.“ Die Frauen nahmen dies aufmerksam zur Kenntnis.

Die FDP auch. „Wir wollen nicht Teil einer Regierung sein, die den Unternehmen immer wieder Vorschriften macht“, sagte die Abgeordnete Nicole Bracht-Bendt. Eine Frauenquote sei nichts anderes als Planwirtschaft. Sie staune über die Kultur beim Koalitionspartner, fügte sie hinzu, wo eine Minderheit in der Lage sei, Parteitagsbeschlüsse zu kippen – die CDU hatte sich noch auf dem Parteitag im November gegen eine starre Quote ausgesprochen. Mit der FDP wird allein die Verankerung einer gesetzlichen Quote in einem möglichen neuen Koalitionsvertrag kaum zu machen sein. Doch das kümmerte keinen der Unionsredner. Als gäbe es den Partner nicht und als brauche es ihn nach dem 22. September auch nicht mehr, wurden die Einwände der Liberalen einfach ignoriert.

Ursula von der Leyen hatte auf ihre Redezeit verzichtet. Das kann ihr als Feigheit oder Klugheit ausgelegt werden. Einerseits hat ihr Taktieren die Parteiführung nun gezwungen, die Quote aufzunehmen. Andererseits bleiben persönliche Rechnungen offen. Vor allem Frauenministerin Kristina Schröder ist blamiert. Sie kämpfte immer für eine Flexi-Quote, bei der sich die Unternehmen verpflichten, bestimmte Prozentsätze zu erreichen. Im Bundestag vermied es Schröder geschickt, den Konflikt mit der Kollegin zu schüren. Sie verlegte sich ganz auf SPD und Grüne und die zu deren Regierungszeit gescheiterten Versuche, zu einer Quotenregelung zu kommen. Schröder punktet damit in den eigenen Reihen. Von der Leyen hat dagegen ihren schlechten Ruf, sie spiele nur auf eigene Karte, weiter befördert.