Debatte um die Frauenquote in Aufsichtsräten hinterlässt nur Verliererinnen

Einmal davon abgesehen, welche Bedeutung eine Frauenquote in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen für den gesellschaftlichen Fortschritt im Allgemeinen und die Förderung von Frauen im Besonderen hätte: Die Abstimmung darüber im Bundestag und deren Begleitumstände waren weniger ein Beitrag zur Gleichstellungspolitik, sondern vielmehr ein Lehrstück in Sachen Parteientaktik, Wahlkampf und Profilneurosen.

In der tragenden Rolle Ministerin Ursula von der Leyen. Sie hatte einst mit großem Pathos ihr politisches Schicksal an ihr Großprojekt Zuschussrente geknüpft. Die Mühlen der Koalitionskompromisse haben lediglich eine modifizierte Lebensleistungsrente verlassen. Da Rücktritt für sie anscheinend keine ernsthafte Option ist, musste rasch eine imagefördernde Kompensation für eine Frau her, der Ambitionen auf das Kanzleramt nachgesagt werden und die sich schon einmal fast als Bundespräsidentin wähnte. Der Bundesratsvorschlag für die Quote kam da gerade recht: Die Arbeitsministerin als unerschrockene Kämpferin für Frauenrechte - Koalitionsfrieden hin, eigener Parteitagsbeschluss für die sogenannte Flexiquote ihrer Kabinettskollegin Kristina Schröder her. Von der Leyen entdeckte ihr Gewissen, das über jeder Kabinetts- oder Fraktionsdisziplin steht - und drohte, mit der Opposition zu stimmen. Und verlor es auch gleich wieder, ließ sich den Schneid abkaufen von einem Gegenvorschlag der Kanzlerin, eine fixe Quote demnächst ins Wahlprogramm aufzunehmen. Einmal mehr warf Angela Merkel, ohne zu zögern, bis eben noch gültige eherne Grundsätze über Bord und konnte die Reihen wieder schließen.

Das erhöht weder die Glaubwürdigkeit beider Spitzenpolitikerinnen noch stärkt es das Vertrauen in Parteitagsbeschlüsse, Koalitionsvereinbarungen oder Wahlprogramme. Der Kuhhandel garantiert aber erst mal den schwarz-gelben Zusammenhalt und das Weiterregieren - bis zum nächsten Knatsch. Und falls von der Leyen tatsächlich mit dem Chefbüro im Kanzleramt liebäugeln sollte - davon dürfte sie sich ein ganzes Stück weiter entfernt haben. Denn als Partei- und Regierungschefin bräuchte sie viele Freunde und das Talent zu Ausgleich und Kompromiss, auch mit eventuellen Koalitionspartnern. Davon war in den vergangenen Tagen bei ihr nichts zu sehen.

Die Opposition wiederum gefiel sich in der Rolle des Anklägers der ach so rückständigen bürgerlichen Regierung. Als ob ein paar Spitzenposten in relativ machtlosen Aufsichtsgremien von Großunternehmen genau das wären, was den Frauen des Landes zu Glück und vollendeter Gleichberechtigung noch gefehlt hätten. Einmal davon abgesehen, dass SPD und Grüne die Quote weder in ihrer Regierungszeit beschlossen haben noch in ihren eigenen Einflussbereichen für konsequente Gleichberechtigung sorgen. Es ging unterm Strich mehr um die Schwächung des politischen Gegners als um ernsthafte Frauenpolitik. Höhepunkt des Parlamentstheaters hart an der Grenze zum Klamauk: Die Grünen stimmten gegen ihren eigenen eiligst noch eingebrachten Antrag, mit dem sie noch Abgeordnete der Union umstimmen wollten, der aber weit hinter ihren eigenen Ansichten zurückblieb.

Einen gewissen Unterhaltungswert hatte das Ganze. Bei den Themen, die dem beruflichen Vorwärtskommen von Frauen aber tatsächlich dienlich wären, etwa der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, besserer Ganztagsbetreuung oder einer Abkehr vom Präsenzwahn in vielen Unternehmen, hat sich nichts bewegt. Aber es sind die Felder, in die die Volksvertreter ihre Kraft, ihr taktisches Geschick und ihre Argumentationskunst stecken sollten statt in Symbolprojekte wie quotierte Aufsichtsratsposten - für ohnehin nicht mehr förderungsbedürftige Spitzenfrauen.