Deutsche Kinder sind nach einer neuen Unicef-Studie leistungsbereit, machen sich aber große Sorgen

Genf/Köln. Kinder in Deutschland zeigen Unicef zufolge gute Schulleistungen, leben gesundheitsbewusst und sind seltener gewalttätig. Ihr Lebensumfeld habe sich seit 2007 deutlich verbessert, heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten Vergleichsuntersuchung zur Lage der Kinder in Industrieländern 2013. Dennoch sei bundesweit jeder siebte Jugendliche mit sich und seiner persönlichen Lebenssituation unzufrieden. Besser sieht es in den Niederlanden aus: Hier leben offenbar die glücklichsten Kinder.

Die deutschen Mädchen und Jungen stellten sich und ihrer Gesellschaft „ein erschreckendes Zeugnis aus, das uns nachdenklich machen muss“, erklärte der Berliner Soziologieprofessor Hans Bertram vom Deutschen Komitee für Unicef. Die einseitige Konzentration auf Leistung und Erfolg führe dazu, dass sich viele Kinder ausgeschlossen fühlten. Die an Ressourcen reiche deutsche Gesellschaft versage offenbar dabei, den Mädchen und Jungen Perspektiven auf gerechte Teilhabe zu geben.

Während deutsche Kinder und Jugendliche in der Studie bezüglich relativer Armut, Gesundheit und Bildung auf Platz sechs liegen, stehen sie bei der Selbsteinschätzung ihrer Lebenszufriedenheit auf Platz 22. Die Forscher analysierten das Wohlergehen von Kindern in 29 Staaten. Dabei wurden die materielle Situation, Gesundheit und Sicherheit, Verhalten und Risiken, Bildung sowie Wohnen und Umwelt in den vergangenen sechs Jahren untersucht.

In allen fünf Dimensionen belegten die Niederlande den ersten Platz. Die gute Situation spiegele sich auch in der Selbsteinschätzung von Kindern und Jugendlichen wider, hieß es. Auch die skandinavischen Länder Norwegen, Island, Finnland und Schweden schneiden im Durchschnitt besser als Deutschland ab.

Die hinteren Plätze belegen süd- und osteuropäische Staaten, Schlusslicht ist Rumänien. Insgesamt habe sich die Lage der Kinder im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends in den untersuchten Ländern verbessert, heißt es in dem Bericht. So sei die Kindersterblichkeit in allen Staaten gesunken, und deutlich weniger Kinder lebten in armen Haushalten. In der unteren Tabellenhälfte landeten auch die europäischen Krisenländer Spanien (19. Platz), Italien (22. Platz) und Griechenland (25. Platz). Dahinter folgen die USA, Litauen, Lettland und das Schlusslicht Rumänien.

Unicef forderte die Regierungen auf, das Wohlergehen der Kinder in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. Diese Maxime müsse für die aktuelle wirtschaftliche und soziale Krisenlage, aber auch für normale Zeiten gelten, betonte das Hilfswerk.

Während Deutschland bei der Bildung auf Platz drei vorrücken konnte, hinter den Niederlanden und Belgien, kam es beim Wohnen und Umwelt nur auf Platz 13. Allerdings habe sich in keinem der untersuchten 29 Länder der Anteil der Jugendlichen, die rauchen, in den vergangen Jahren so deutlich reduziert wie in Deutschland, hieß es. Sie konsumieren auch Alkohol und Cannabis deutlich seltener. Vorbildlich sei zudem die besonders niedrige Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Die früher bereits niedrige Zahl von Teenagerschwangerschaften ist noch weiter gesunken. Dagegen sind deutsche Kinder deutlich häufiger übergewichtig als früher.

Grundlage der Unicef-Analyse waren die neuesten Daten von Eurostat, OECD, PISA, Weltgesundheitsorganisation und Weltbank für die Jahre 2009/2010. Die neue Studie knüpft an frühere Untersuchungen aus dem Jahr 2007 an. Dort schnitt Deutschland insgesamt nur mittelmäßig ab.