Wie sich die Sexismus-Affäre auf den Deutschlandtrend auswirkt. Sechs von zehn Befragten wollen einen Regierungswechsel.

Berlin. Eine breite Schleifspur hinterlässt Rainer Brüderles Dirndl-Gate in den Meinungsumfragen. Der Beliebtheitswert des FDP-Fraktionschefs ist seit der Berichterstattung über eine anzügliche Bemerkung gegenüber einer "Stern"-Reporterin rapide gesunken. Und so heißt es bei den Liberalen: Frauen an die Front! Der unter Sexismus-Verdacht geratene FDP-Spitzenkandidat bekam jetzt massiven Flankenschutz von der FDP-Vizevorsitzenden und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Im Deutschlandfunk sagte sie, Brüderle habe sich "absolut richtig" verhalten, man müsse "die Kirche im Dorf lassen". Brüderles umstrittene Äußerung, die von ihm angesprochene Journalistin könne "ein Dirndl füllen", sei sogar als Kompliment zu verstehen.

Da ist aber wohl noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, denn folgt man den Daten des ARD-Deutschlandtrends, haben die Querelen um Brüderle sowie sein Zaudern im Führungsstreit dem Ansehen des FDP-Politikers sehr geschadet: Derzeit sind 28 Prozent der Deutschen mit seiner politischen Arbeit zufrieden - ein Minus von neun Punkten im Vergleich zum Deutschlandtrend vor drei Wochen. Von der neuen personellen Aufstellung der FDP profitiert der Parteivorsitzende: Mit einer Zustimmungsrate von 22 Prozent (plus fünf) verbessert sich das Ansehen Philipp Röslers zwar deutlich, er bleibt aber weiterhin Schlusslicht der Skala.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) vermag seinen Rückhalt in der Bevölkerung auf 46 Prozent (plus sechs) zu steigern und erreicht damit seinen besten Wert im ARD-Deutschlandtrend in seiner Funktion als oberster Diplomat Deutschlands. Zieht man allerdings den Vergleich zu Abstürzen anderer in Ungnade gefallener Politiker, relativiert sich Brüderles aktueller Ansehensverlust. So verlor Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Zuge seines Rücktritts zwischen März und Dezember 2011 sogar 13 Punkte auf der Beliebtheitsskala. Guttenberg wäre kurioserweise allerdings mit einem Zufriedenheitswert von 60 Prozent selbst heute noch der beliebteste Politiker in Deutschland, wenn die aktuelle Statistik ihn führen würde.

Ginge es allein um Brüderle, das Debakel der Liberalen hielte sich in Grenzen. Aber auch das Duo der FDP-Führung mit dem Spitzenkandidaten Brüderle und dem Vorsitzenden Rösler sehen die Deutschen skeptisch: Lediglich jeder Dritte (32 Prozent) glaubt, dass die beiden die Erfolgschancen der Liberalen verbessern. Demgegenüber gehen 51 Prozent aller Wahlberechtigten davon aus, dass sich diese Konstellation eher negativ auf das Abschneiden der FDP auswirken wird. Jeder Zweite (49 Prozent) rechnet ohnehin nicht damit, dass das Spitzenduo bis zur Bundestagswahl durchhält.

Weitgehend stabil sind die Zufriedenheitswerte bei den Politikern der anderen Parteien. Hinter Spitzenreiterin Angela Merkel (CDU) folgt mit einigem Abstand Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dessen Arbeit derzeit von 63 Prozent (plus vier) der Befragten wohlwollend beurteilt wird. Die in der Bevölkerung unpopuläre Anschaffung von Bundeswehr-Drohnen wirkt sich auf die Beurteilung des Verteidigungsministers aus: Mit der Arbeit von Thomas de Maizière (CDU) sind in diesem Monat 57 Prozent der Bürger einverstanden, sechs Punkte weniger als zu Jahresbeginn. Seine Kabinettskollegin Ursula von der Leyen (CDU) bekommt wie zuvor von 45 Prozent (plus eins) der Bürger gute Noten.

Die beliebtesten sozialdemokratischen Politiker sind derzeit die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (57 Prozent, minus eins) und der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier (53 Prozent, plus zwei). Parteichef Sigmar Gabriel kann seinen Rückhalt auf nun 42 Prozent ausbauen (plus sieben). Peer Steinbrück, Herausforderer Merkels, verharrt hingegen im hinteren Mittelfeld: Mit seinem politischen Wirken sind aktuell 37 Prozent zufrieden (plus eins).

Einen guten Platz im Mittelfeld belegt Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin mit 45 Prozent Zuspruch (plus/minus null). Weiter hinten platziert sich gleichauf mit Steinbrück der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (38 Prozent, plus zwei). Die Arbeit des Linken-Fraktionschefs Gregor Gysi wird etwas kritischer beurteilt als Anfang Januar (30 Prozent, minus vier). Unabhängig davon, ob nach der Bundestagswahl eine Koalition der bürgerlichen Parteien über genug Mandate im Parlament verfügt - die Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb aus. 60 Prozent der Bundesbürger wollen einen Regierungswechsel. Lediglich ein Drittel (34 Prozent) ist der Meinung, dass die amtierende Regierungskonstellation über den Herbst hinaus Bestand haben sollte. Damit ist der Wunsch nach einem Wechsel der Regierungszusammensetzung so groß wie im September 2009 im Vorfeld der letzten Bundestagswahl.

Dass sich dieser Wunsch vor allem an der FDP festmacht, zeigt die Stärke der Union und die anhaltende Schwäche der Liberalen in der politischen Stimmung: Die CDU/CSU ist mit einem Stimmenanteil von 40 Prozent (minus zwei im Vergleich zur Vorwoche) trotz leichter Verluste mit Abstand stärkste Partei, während die FDP (vier Prozent) weiterhin unter der Mandatsschwelle verharrt. Die SPD erreicht konstant 27 Prozent, während die Grünen einen Punkt auf 15 Prozent zulegen können. Die Linke erreicht wie in der Vorwoche einen Stimmenanteil von sechs Prozent. Die Piraten legen leicht zu (vier Prozent, plus eins). Alle anderen Parteien kämen zusammengenommen auf vier Prozent der Stimmen. Wäre dies das Ergebnis der Wahlen, hätte neben einer Großen Koalition sowohl der Zusammenschluss aus Union und Grünen als auch ein rot-rot-grünes Bündnis eine Mehrheit im Bundestag.

In den alten Bundesländern erreicht die Union 41 Prozent und liegt damit deutlich vor der SPD mit 29 Prozent. Drittstärkste Kraft sind die Grünen mit 16 Prozent. Sowohl FDP (vier Prozent) als auch Linke und Piraten (jeweils drei Prozent) bleiben in den westlichen Bundesländern unterhalb der Fünfprozentmarke. In den neuen Ländern ist der Abstand der CDU mit 37 Prozent vor der zweitstärksten Partei, der SPD (22 Prozent) noch größer als im Westen. Dritte Kraft sind hier allerdings nicht die Grünen (zehn Prozent), sondern die Linkspartei mit 18 Prozent.