Haben Neonazis in meiner Region Menschen angegriffen? Wo treffen sich Rechtsextreme? Über solche Fragen will rechtesland.de aufklären.

Berlin. Wo ist der nächste Supermarkt? Der nächste Bäcker? Solche Fragen stellen viele Leute heute nicht mehr anderen Menschen, sondern einer Internet-Suchmaschine. Ähnlich ist das Prinzip einer Online-Karte, an der Ulli Jentsch mitarbeitet – nur dass diese Antworten auf ganz andere Fragen liefern soll. „Wo in meiner Nähe haben Neonazis einen Menschen ermordet?“ wäre so eine oder „Gibt es hier ein Geschäft, das sich an Neonazis richtet?“ Jentsch sagt: „Wenn unsere Arbeit funktioniert, werden einige Leute über die Vielzahl der Einträge staunen.“

Rechtesland.de heißt das Projekt, an dem Jentsch beteiligt ist. Getragen wird es vom antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz) – und man kann es sich vorstellen wie einen nahen Verwandten der Anwendung Google Maps. Genau wie dort soll es auf rechtesland.de auf einer virtuellen Deutschlandkarte bald möglich sein, in eine Region zu scrollen. Doch während Google Maps Informationen über Hotels oder Postfilialen bietet, wollen die Macher von rechtesland.de auf ihrer Seite Informationen über Nazi-Taten und -Strukturen offenlegen. Im Frühjahr soll die Seite online sein.

„Rechtsradikalismus ist in der Öffentlichkeit schwer darstellbar. Wer macht sich denn die Mühe und recherchiert, was in den letzten fünf Jahren in seiner Region passiert ist?“ Dem wolle man sich entgegenstellen, sagt Jentsch. „Eine Karte ermöglicht einen intuitiven Zugang. Wir hoffen, damit eine breitere Öffentlichkeit anzusprechen.“

Wie bei anderen Suchmaschinen auch wird man die Ansicht nach bestimmten Kategorien filtern können – geplant sind Menüpunkte über so schauerliche Kategorien wie Angriffe, öffentlichkeitswirksame Aktionen, Immobilien und Ladenlokale der Szene – und auch Todesopfer rechter Gewalt. „Andere Dinge sind schwerer darzustellen. Kameradschaften haben ja zum Beispiel meistens keinen festen Ort. Deswegen ergänzen wir die Karte auch durch ein öffentlich zugängliches Recherche-Wiki.“

Nicht nur Informationen über die Rechtsextremisten selbst soll es auf rechtesland.de geben, sondern auch solche über Gedenkstätten und antifaschistische Initiativen. „Wir wollen nicht nur darstellen, was Rechte machen, sondern auch, was man dagegen unternehmen kann“, sagt Jentsch.

Inhaltlich betreut wird die Seite von Rechercheuren der Initiative - so sei es zwar möglich und auch erwünscht, als Privatperson selbst ein Geschäft oder einen Vorfall zu melden. „Aber wir machen nichts auf Zuruf. Wenn wir eine Information erhalten, gehen wir dieser nach und versuchen, eine zweite Quelle zu finden.“ So sollen unseriöse Informationen oder gar Denunziationen ausgeschlossen werden.

Schon jetzt ruhen große Hoffnungen auf dem Projekt. Gelinge das Vorhaben, dann sei das „total hilfreich“, findet etwa Anetta Kahane, Vorsitzende der antirassistischen Amadeu Antonio Stiftung. „Rechtesland.de böte eine gute Argumentationshilfe, wenn man mit Leuten spricht, die sagen: 'Bei uns gibt es keine Nazis.'“ Aber auch für die eigene Recherche sei eine solche Plattform nützlich. „Ich habe auch nicht alle Strukturen im Kopf. Das wäre ein guter Service.“ Zudem sei rechtesland.de auch wichtig, weil antifaschistische Projekte im Internet derzeit eher unterrepräsentiert seien, urteilt Kahane. „Die Finanzierung ist sehr schwierig. Man fragt sich da schon: Wo ist der politische Wille?“

Dass rechtesland.de in absehbarer Zeit starten kann, liegt vielleicht auch daran, dass seine Macher es von Anfang an ohne öffentliche Gelder konzipiert haben: Zwar bekommt der Verein apabiz neben Spenden auch eine Förderung durch das Land Berlin – doch um die Anschubfinanzierung von 5.000 Euro zu erhalten, wählten die Organisatoren einen anderen Weg: Den des Crowdfundings, also des Sammelns zahlreicher Kleinspenden über eine Kampagne im Internet. Dieses ist so erfolgreich verlaufen, dass das Projekt jetzt sichergestellt sei. Nun gehe es an die technische Umsetzung, sagt Jentsch.