Starker Anstieg von Unfällen in Hamburg. Verkehrsgerichtstag kritisiert “Duldung lebensgefährlicher Verhaltensweisen“. Die Politik müsse dringend handeln

Goslar. Mit hohem Tempo durch Fußgängerzonen oder über Bürgersteige, falsch herum durch Einbahnstraßen, Überfahren von Stoppschildern und roten Ampeln: Radfahrer, die im Straßenverkehr keine Rücksicht zeigen, sollen nach dem Willen des Deutschen Verkehrsgerichtstags künftig strenger bestraft werden.

Der Präsident der Konferenz, der frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm, sagte in Goslar, die "offensichtliche behördliche Duldung lebensgefährlicher Verhaltensweisen" vieler Radfahrer sei ein Skandal. Gerade im Winter seien "Fahrrad-Rüpler" eine besondere Gefahr für Fußgänger und Autofahrer: "Kaum einer fährt mit vorgeschriebener Beleuchtung."

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov forderten auch 82 Prozent der Deutschen mehr Polizeikontrollen und höhere Geldstrafen für Radfahrer, die sich nicht an die Verkehrsregeln halten. 81 Prozent gaben an, sie fühlten sich am Steuer von Autos bedroht, wenn ihnen in der Dunkelheit Radfahrer ohne Licht begegnen. Nehm sagte, man müsse "höllisch aufpassen". Unaufmerksame Kraftfahrer müssten bei Unfällen mit Radfahrern in der Regel für den Schaden aufkommen.

Wie berechtigt die Sorgen der Verkehrsrichter sind, zeigt auch die Hamburger Verkehrsstatistik. Danach gab es im Jahr 2011 in der Hansestadt insgesamt 66.118 Unfälle - 2,7 Prozent mehr als 2010. Dabei wurden 9821 Menschen (6,5 Prozent plus) verletzt. Fast jeder Vierte von ihnen war ein Radfahrer. Ihr Anteil an den Verletzten stieg binnen eines Jahres um 13,8 Prozent.

Hamburger Politiker begrüßten den Vorstoß des Verkehrsgerichtstags. Klaus-Peter Hesse, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sagte dem Abendblatt: "Wir sehen bei diesem Thema starken Handlungsbedarf." Es sei dringend notwendig, nicht nur die Kontrollen auszuweiten, sondern auch die Bußgelder zu erhöhen. "Auch Radfahrer müssen sich an Recht und Gesetz halten. Das ist aber offensichtlich auch in Hamburg häufig nicht der Fall." Wieland Schinnenburg, FDP, sagte: "Der Senat muss dringend mehr tun. Fast 6000 von Radfahrern verursachte Verkehrsunfälle in fünf Jahren, davon deutlich mehr als 3000 mit Personenschäden - das sind erschreckende Zahlen. " Neben intensiverer Überwachung und höheren Strafen müsse es auch bessere Radwege geben.

Merja Spott, verkehrspolitische Referentin beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), kritisierte dagegen den Vorstoß des Verkehrsgerichtstags scharf. "Dass kaum jemand die Verkehrsregeln beachtet, davon kann keine Rede sein." Dies seien "Pauschalisierungen", sagte Spott. Durch solche Äußerungen würden nur wieder Feindbilder aufgebaut und Verkehrsteilnehmer gegeneinander aufgebracht. "Statt Radfahrer zu bestrafen, sollte eher an der Verbesserung der Infrastruktur gearbeitet werden."