Ministerium lehnt Platzeck als BER-Aufsichtsratschef ab. Trittin fordert Wowereits Rücktritt. Fluggesellschaften fürchten Millionenschäden.

Berlin. Die Berliner SPD steht nach den Worten ihres Landesvorsitzenden Jan Stöß in der Flughafen-Krise solidarisch zu ihrem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Die Partei habe sich ausgetauscht und dann eine klare Entscheidung getroffen, dass Wowereit im Amt bleiben solle, sagte Stöß im rbb-Inforadio. „Wir sind eine solidarische Partei. Bei der FDP wäre es vielleicht so, dass man jetzt sagt, jetzt werden die Messer rausgeholt“, sagte Stöß dem Sender.

Der Berliner SPD-Chef bestätigte, dass Wowereit nach dem Bekanntwerden der vierten Verschiebung des Flughafen-Eröffnungstermins am Wochenende seinen Rücktritt angeboten habe. „In dieser Situation haben sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch ich ihn gebeten, zu bleiben“, sagte Stöß. Er finde es richtig, dass Wowereit gesagt habe, man müsse Verantwortung für den Flughafen und für die Stadt übernehmen.

Im rbb-Inforadio zeigte sich Stöß überzeugt, dass die rot-schwarze Koalition beim Misstrauensantrag der Grünen und der Piraten geschlossen hinter Wowereit steht. „Ich gehe davon aus, das Klaus Wowereit mindestens die Stimmen der Koalitionsfraktionen vollständig kriegen wird. Da bin ich auch sehr zuversichtlich“, sagte Stöß auf die Frage nach möglichen Abweichlern in den eigenen Reihen.

Der Misstrauensantrag gegen Wowereit wird an diesem Donnerstag in einer Sondersitzung des Berliner Abgeordnetenhauses eingebracht. In der Debatte zur erneuten Verschiebung des BER-Starttermins wird auch der Regierende Bürgermeister reden. Die namentliche Abstimmung kann frühestens an diesem Samstag folgen – 48 Stunden nach dem Misstrauensantrag. Der Ältestenrat ims Parlament wollte am Mittag darüber entscheiden.

Suche nach Schuldigen im BER-Debakel

Nach dem jüngsten Debakel am künftigen Berliner Hauptstadtflughafen gehen die Angriffe gegen die Verantwortlichen unvermindert weiter. „Unsere Geduld mit der Flughafengesellschaft ist erschöpft“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Barthle (CDU), der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. „Wir wollen personelle Konsequenzen sehen.“

Barthle empfahl dem Bund, der selbst an dem Projekt beteiligt ist, Regressforderungen gegenüber Generalplaner, Baufirmen und Geschäftsleitung zu prüfen. Er verwies dazu auf ein geplantes Gutachten, mit dem untersucht werden soll, ob der Aufsichtsrat über die Probleme am Flughafen BER getäuscht worden ist.

Wann der Pannen-Airport eröffnet werden kann, ist angesichts immer größerer Probleme völlig ungewiss. Nach der neuerlichen Verschiebung der zuletzt im Oktober 2013 geplanten Eröffnung hatte Technikchef Horst Amann die Probleme des Milliardenprojekts „fast grauenhaft“ genannt.

Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin forderte Wowereit zum Rücktritt auf. „Wenn politische Verantwortung überhaupt noch einen Sinn hat, muss er auch als Bürgermeister zurücktreten. Wer so viel Steuergeld versenkt hat, der muss auch die Konsequenzen tragen“, sagte Trittin der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.

Wowereit hatte am Montag wegen der vierten Verschiebung des Starttermins für das Milliarden-Projekt sein Amt als Flughafen-Aufsichtsratschef an seinen bisherigen Stellvertreter Platzeck abgegeben.

Wowereits Parteifreund Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister in Berlin-Neukölln, kritisierte die Rochade. „So richtig überzeugend ist das für die Berliner und Berlinerinnen natürlich nicht, weil ja quasi die gleichen Leute im Aufsichtsrat bleiben. Ich glaube, da hätte man ein bisschen frischen Wind gebraucht“, sagte der SPD-Politiker im rbb-Inforadio. Er selbst hätte Wowereit geraten, den Aufsichtsrat ganz zu verlassen.

Finanzministerium will Platzeck nicht als BER-Aufsichtsratschef

Währenddessen lehnt das Bundesfinanzministerium den Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) als neuen Aufsichtsratschef der Berliner Flughafengesellschaft ab. Stattdessen solle ein unabhängiger Experte aus der Wirtschaft Chef des Gremiums werden. Ein entsprechender Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“ wurde am Mittwoch in Ministeriumskreisen bestätigt. Damit solle eine bessere Kontrolle der Geschäftsführung ermöglicht werden. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gibt den Vorsitz wegen des Debakels beim neuen Hauptstadtflughafen ab. Der Bund ist mit Berlin und Brandenburg Anteilseigner der Flughafengesellschaft.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte dagegen keine Vorbehalte gegen die Rochade im Aufsichtsratsvorsitz verlauten lassen. Der Wechsel von Wowereit zu Platzeck war am Montag nach einem Treffen der Gesellschafter bekanntgegeben worden, an dem neben den beiden Länderchefs Verkehrs-Staatssekretär Rainer Bomba teilgenommen hatte. Ramsauer hatte Wowereits Rückzug anschließend mit Respekt zur Kenntnis genommen und Platzeck viel Glück gewünscht.

Im Aufsichtsrat sitzt für den Bund neben Staatssekretär Bomba der Staatssekretär im Finanzministerium, Werner Gatzer. Der Bund ist mit 26 Prozent der Anteile der kleinste Gesellschafter. Brandenburg und Berlin halten jeweils 37 Prozent

Fluggesellschaften fürchten Millionenschäden durch BER-Desaster

Die Verzögerungen beim Bau des neuen Hauptstadtflughafens in Schönefeld könnten die Fluggesellschaften nach eigener Einschätzung Hunderte Millionen Euro kosten. Bis der Airport im Südosten Berlins betriebsbereit sei, könne der Schaden „leicht ein dreistelliger Millionenbetrag sein“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Klaus-Peter Siegloch, im Deutschlandfunk.

Wie die Unternehmen darauf juristisch reagierten, sei noch nicht endgültig entschieden, die Fluggesellschaften gingen aber eher von einer Schadenersatzpflicht aus, sagte Siegloch weiter. Air Berlin habe dazu bereits eine Feststellungsklage eingereicht. Insgesamt sei der Neubau inzwischen ein „Trauerspiel“, sagte Siegloch, „bei dem einem langsam auch die Worte fehlen“.