OECD-Studie bescheinigt rasche Fortschritte bei der Eingliederung der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt. Nachholbedarf im öffentlichen Dienst

Berlin. Deutschland hat bei der Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte gemacht. Auch wandern heute mehr Hochqualifizierte in die Bundesrepublik ein als noch vor einem Jahrzehnt. Dies zeigt der erste internationale Integrationsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Großen Nachholbedarf bescheinigen die Experten allerdings dem hiesigen öffentlichen Dienst: In keinem anderen der 34 OECD-Länder ist der Anteil der Migranten in der Verwaltung, im Gesundheitswesen, im Bildungssystem und anderen öffentlichen Sektoren geringer als in Deutschland.

"Deutschland gehört zur Spitzengruppe bei der Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern", sagte der Integrationsexperte der OECD, Thomas Liebig. So sind hierzulande unter den 15- bis 34-Jährigen 13 Prozent der Zuwandererkinder arbeitslos. Im OECD-Durchschnitt haben 16 Prozent der jungen Migranten keinen Job. Insgesamt stieg in Deutschland die Beschäftigungsquote unter den Ausländern von 57 Prozent im Jahr 2000 auf 64 Prozent. Damit hat sich die Bundesrepublik in sehr kurzer Zeit ins Mittelfeld vorgearbeitet. Noch deutlich besser steht allerdings die Schweiz da, wo von vier Migranten drei berufstätig sind. Nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt sind Ausländer häufiger als die einheimische Bevölkerung von Arbeitslosigkeit betroffen. Hierzulande ist vor allem bei Frauen die Erwerbsquote der Zuwanderer deutlich niedriger als bei den Deutschen.

Beim Bildungsniveau der Migranten und ihrer Kinder zeichnet sich eine positive Entwicklung ab. So stieg in Deutschland der Anteil der Hochqualifizierten unter den Zuwanderern in den vergangenen zehn Jahren um zwölf Prozentpunkte. Noch deutlich höher war dieser Anstieg nur in Dänemark und Luxemburg.

Allerdings schneiden die traditionellen Einwanderungsländer Kanada, Australien, Neuseeland und auch Großbritannien beim Wettbewerb um die klügsten Köpfe nach wie vor weit besser ab als Deutschland. In diesen Staaten weisen die Zuwanderer im Schnitt sogar ein höheres Bildungsniveau auf als die einheimische Bevölkerung. Grund ist die gezielte Auswahl qualifizierter Zuwanderer. Zwar garantiert deren gutes Bildungsniveau auch in Kanada oder Australien nicht immer eine gut bezahlte Beschäftigung. Doch schlägt sich die gute Qualifikation nach Ansicht des OECD-Experten Liebig im Bildungserfolg der Zuwandererkinder nieder. Denn im Gegensatz zu Deutschland schneiden die jungen Ausländer in Kanada und Australien nicht nur bei den internationalen Schulvergleichen besser ab als der einheimische Nachwuchs. Auch die Akademikerquote ist unter den Migranten der zweiten Generation höher als unter der heimischen Bevölkerung. Hierzulande haben junge Ausländer hingegen - trotz des in letzten Jahren positiven Trends - immer noch häufiger als die Deutschen keinen oder nur einen Hauptschulabschluss.

Die OECD-Studie zeigt aber, dass es vielen jungen Migranten in Deutschland trotz mäßigem Schulerfolg gelingt, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. "Verglichen mit deutschen Jugendlichen, die nur eine geringe Schulbildung haben, sind die Zuwandererkinder sogar am Arbeitsmarkt erfolgreicher", konstatiert Liebig. Dies zeige, dass die hiesigen Arbeitgeber durchaus bereit seien, Migranten eine Chance zu geben. Günstig wirkt zudem das duale Ausbildungssystem, das Jugendlichen den Weg in den Beruf ebnet.

Während der Anteil der gering qualifizierten Zuwanderer am Arbeitsmarkt höher ist als der von in Deutschland Geborenen, finden hoch qualifizierte Migranten dagegen seltener einen Job als hier geborene Menschen mit entsprechendem Abschluss. Liebig erklärt sich den Befund mit Vorurteilen der Arbeitgeber. Migranten würden als niedrig qualifiziert, aber fleißig gelten, sagt er. Menschen mit niedrigen Abschlüssen bekämen also häufig eine Chance. Hoch qualifizierte Migranten würden dagegen nicht als hoch qualifiziert wahrgenommen.

Gestützt wird Liebigs These durch einen Vergleich der Anstrengungen, die Zuwanderer und Nichtzuwanderer bei der Jobsuche betreiben: Migranten schreiben der Studie zufolge dreimal mehr Bewerbungen, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Deutschland wirbt derzeit aufgrund des Fachkräftemangels gezielt um gut qualifizierte Ausländer.

Arbeitnehmer mit ausländischen Wurzeln sind in Deutschland fast ausschließlich in der privaten Wirtschaft zu finden. Wie die OECD rügt, sind die Migranten in keinem anderen Mitgliedstaat im öffentlichen Dienst so unterrepräsentiert wie hier. Anders als etwa in Belgien oder Kanada hat sich die Politik in Deutschland jahrelang nicht um eine gezielte Förderung von Zuwanderern im öffentlichen Dienst bemüht. Erst im letzten nationalen Integrationsplan der Bundesregierung zur Integration kommt das Thema erstmals vor. Auch die Bundesländer und Kommunen, die für einen Großteil der Beschäftigung im öffentlichen Dienst verantwortlich sind, haben sich in der Vergangenheit zu wenig um Chancengleichheit in diesem Sektor bemüht. OECD-Experte Liebig: "Nicht jeder Zuwanderer hat die Chance, irgendwann in der Fußball-Nationalelf mitzuspielen. Aber eine Stelle als Lehrer oder in der Verwaltung sollte erreichbar sein." Der öffentliche Dienst spiele für eine erfolgreiche Integration eine herausragende Rolle.

Mit ihrer ersten Vergleichsstudie zur Integration wollen die Autoren auch Mythen widerlegen. So habe sich gezeigt, dass eine hohe Konzentration von Ausländern in bestimmten Stadtteilen oder Regionen keineswegs ein Integrationshemmnis darstellen müsse, wie oft behauptet, sagte Liebig. In Kanada seien Kinder, die Schulen mit hohem Ausländeranteil besuchen, überdurchschnittlich erfolgreich. Nur dann, wenn viele Migranten mit geringem Bildungsniveau in einem Viertel zusammenwohnten, habe dies negative Auswirkungen.

In Griechenland wiederum fühlen sich Zuwanderer im OECD-Vergleich am stärksten diskriminiert. 26 Prozent aller Menschen mit ausländischen Wurzeln geben in Griechenland an, aus ethnischen Gründen bereits mindestens einmal diskriminiert worden zu sein. Am wenigsten Erfahrung mit Diskriminierung machen Zuwanderer dem Bericht zufolge in Luxemburg. Hier fühlen sich weniger als fünf Prozent diskriminiert. Deutschland liegt mit etwa 15 Prozent knapp über dem EU-Durchschnitt von 14 Prozent.