Im Ranking der 50 größten Metropolen belegt Hamburg Platz 8 und gilt als “Wohlstands-Leuchtturm“ im Norden. Berlin fast Letzter.

Berlin. Die Hauptstadt kann am Donnerstag allein schon wegen des Wetters nicht mithalten. Es regnet in Berlin, nahezu ununterbrochen, der Himmel ist grau, die Straßen glänzend nass. Nein, schön ist es an diesem Tag nicht. Die viel beschworene Strahlkraft der größten deutschen Stadt mag sich nicht so recht entfalten.

Glaubt man einer neuen Studie liegt jedoch noch einiges mehr im Argen - und damit sind nicht etwa der stockende Flughafenneubau und die von Pannen geplagte S-Bahn gemeint. Im Vergleich der 50 größten deutschen Städte belegt Berlin nur den 47. Platz. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und das Magazin "Wirtschaftswoche" haben im neunten Jahr in Folge die Metropolen der Republik auf 90 sozio-ökonomische Faktoren hin untersucht und dabei festgestellt, wo sie in Sachen Arbeitsmarkt, Soziales, Wirtschaft und Wohlstand stehen - und wie sich die Euro-Krise jeweils ausgewirkt hat. Für die Hauptstadt gilt dabei: "Sie kommt nicht aus dem Niveaukeller heraus", wie INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr bilanziert. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 13,3 Prozent und ist im Vergleich die Zweithöchste, 12,4 Prozent der Berliner müssen von Hartz IV leben - so viele wie nirgendwo sonst. Mit 14 286 gemeldeten Straftaten pro 100 000 Einwohner im Jahr 2011 rangiert die Stadt auf dem viertletzten der 50 Plätze.

Das letzte dieser Probleme teilt auch Hamburg - mit 12 812 Delikten pro 100 000 Einwohner belegt die Hansestadt hier den 43. Platz. Zudem gibt es eine große Unzufriedenheit der Unternehmen mit Verwaltung und Senat: Nur 22 Prozent der Firmen glauben, dass die Stadt wirtschaftlich und sparsam arbeitet. Der Durchschnitt aller 50 Metropolen in der Unternehmensbefragung liegt hier bei 37,1 Prozent. Hamburg ist mit Rang 48 bei diesem Teilaspekt sogar fast Schlusslicht.

Beide Faktoren bewerten die Forscher aber als "Wermutstropfen" einer sonst erfolgreichen Stadt. Insgesamt ist man an der Elbe nämlich gut durch die Euro-Krise gekommen. Im Ranking, das von München angeführt wird, belegt Hamburg Platz acht und ist die einzige norddeutsche Stadt unter den ersten zehn. "Beim Niveau ist die Hansestadt als Wohlstands-Leuchtturm im Norden seit jeher unter die Top Ten gebucht. Nun findet sie nach einer krisenbedingten Delle im letztjährigen Städteranking zu gewohnter Dynamik zurück", so Studienleiter Michael Bahrke. 2011 war Hamburg auf Platz 10, 2010 jedoch nur auf Platz 27. Mitverantwortlich für den Aufwärtstrend ist vor allem die positive Arbeitsmarktentwicklung: Von 2006 bis 2011 sind 12,9 Prozent mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Im Schnitt aller 50 Städte hat dieses Wachstum dagegen nur 9,4 Prozent betragen. Was den Wohlstand betrifft, liegt Hamburg gemessen an der Einkommensteuerkraft hinter München auf Platz zwei.

Einen Spitzenplatz nimmt Hamburg ein, wenn es um die Abnahme der Schulabbrecherquote geht. Zwar liegt die Stadt insgesamt mit sechs Prozent auf Platz 16, allerdings ist die Quote mit 5,6 Prozentpunkte so stark gefallen wie in keiner anderen Stadt - im Durchschnitt betrug das Minus nur 1,4 Prozent. Es sei dennoch die zentrale Aufgabe Hamburgs, weiter dafür zu sorgen, dass "möglichst viele junge Menschen aus den kleiner werdenden nachrückenden Altersjahrgängen zu Schulabschlüssen und damit zur Weiterbildungsfähigkeit" geführt würden, wie INSM-Projektleiter Florian von Hennet betonte.

Immerhin: Hamburg ist eine junge Stadt, die in den vergangenen fünf Jahren 2,5 Prozent neue Einwohner gewonnen hat - und von Touristen gut besucht wird. Auf jeden Einwohner kamen zuletzt fünf Gästeübernachtungen. Nummer eins in diesem Feld ist allerdings Frankfurt am Main mit 8,9 Übernachtungen pro Einwohner.

"Als Konzern-, Dienstleistungs- und Medienstandort übt Hamburg in einem strukturschwachen Umfeld besondere Anziehungskraft aus. Die Tatsache, dass man nicht allein von seinem bedeutenden Hafen abhängig ist, sondern auch bedeutende Dienstleistungen an Bord hat, ist eine sichere Bank für die Zukunft", so von Hennet.

Neben dem Niveauranking wurde in der Studie auch ein Dynamik-Ranking angestellt, das nicht Auskunft darüber gibt, wo eine Stadt gerade steht, sondern wie sie sich in den vergangenen fünf Jahren entwickelt hat. Die dynamischste Metropole ist in diesem Jahr Magdeburg gefolgt von Oldenburg und Kassel. Rostock belegt Platz vier, die Experten loben hier vor allem den hohen Zuwachs bei der Arbeitsplatzversorgung. Grund ist auch die Energiewende: Insbesondere die Produktion von Windkraftanlagen habe hier für einen kräftigen Schub gesorgt. Hamburg belegt im Dynamik-Ranking Platz zehn. Im Niveau-Ranking ist Rostock allerdings abgeschlagen auf Platz 42. Schlusslicht ist hier Gelsenkirchen.

Die beiden großen Städte in Schleswig-Holstein, Kiel und Lübeck, stehen in beiden Rankings eher mittelmäßig da. Im Dynamik-Ranking erreichen sie Platz 22 und zwölf, im Niveau-Ranking Platz 37 und 40. Mit einer Arbeitslosenquote von je elf Prozent liegen sie unter dem Durchschnitt, über dem Mittelwert liegt auch die Zahl der Empfänger von Hartz IV. "Die strukturelle Schwäche im Norden ist die Folge der geringen Präsenz von Industrie", so Bahrke. INSM-Projektleiter von Hennet fügt hinzu: "Auch Hamburg hilft in diesem Fall nicht mit seinem Speckgürtel-Effekt, weil beide Städte zu weit entfernt von dieser Wohlstands-Insel im Norden liegen." Für mehr Wertschöpfung und noch mehr Wirtschafts- sowie Arbeitsmarktdynamik brauche der Norden neue Industrien.

Insgesamt am besten läuft es in München. Im aktuellen Ist-Zustand belegt die bayerische Landeshauptstadt den ersten der 50 Plätze. Sie punktet nicht nur mit der niedrigsten Arbeitslosenquote (5,1 Prozent), dem größten Wohlstand sowie der höchsten Einkommensteuerkraft. München hat auch den geringsten Anteil an Empfängern von Arbeitslosengeld II (3,9 Prozent) und die nach Freiburg wenigsten privaten Schuldner. Hinzu kommen mit 7564 Fällen die wenigsten gemeldeten Straftaten pro 100 000 Einwohner. "Das zeugt von einer sehr gesunden Sozialstruktur", so INSM-Geschäftsführer Pellengahr. Der im Vergleich höchste Gewerbesaldo belegt zudem ein überdurchschnittliches Gründungsgeschehen. Vor allem im IT-Bereich entstehen hier neben Berlin nach einer Studie des Branchenverbandes Bitkom die meisten Start-ups.

Ein Trost: Auch wenn in München zumindest den Indikatoren nach alles irgendwie am besten ist, war die Stadt gestern bei einer Sache mit Kellerkind Berlin gleich: Auch hier hat es den ganzen langen Tag geregnet.