Die SPD hält Eile bei der Griechenlandrettung für falsch. Hamburger Grüner Sarrazin wirbt für einen “intelligenten Schuldenschnitt“.

Berlin/Hamburg. Die SPD wehrt sich bei der Entscheidung über die neuen Hilfsmaßnahmen für Griechenland gegen aus ihrer Sicht zu hohen Zeitdruck. Die Pläne von Union und FDP, darüber bereits heute im Bundestag abzustimmen, seien "indiskutabel", sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann gestern. Seine Partei würde ihre Linie bei dieser "in jedem Fall schwierigen Entscheidung" erst heute Morgen auf einer Fraktionssitzung festlegen.

Also wurde die Abstimmung über die Beschlüsse, die Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine EU-Amtskollegen in der Nacht zu Dienstag beschlossen hatten, auf morgen verschoben. Nur einen Tag mehr, was nicht besonders viel ist, wie auch Oppermann später bekennen musste. "Aus unserer Sicht wäre es besser gewesen, das Thema in der kommenden Woche in einer Sondersitzung des Bundestages zu beraten", sagte er. Hierfür habe es aber keine parlamentarische Unterstützung gegeben.

Für die Regierungskoalition steht so vor dem Wochenende ein weiteres Mal die Nagelprobe an, ob sie noch über eine eigene Mehrheit verfügt. Die Gruppe der Euro-Kritiker um CDU-Parlamentarier Wolfgang Bosbach hat bereits angekündigt, das Paket auch dieses Mal nicht mittragen zu wollen. Im Februar dieses Jahres bei der Entscheidung über das zweite Hilfspaket für Griechenland und Ende Juli bei drei Abstimmungen zum Euro-Rettungsschirm ESM verfehlte Regierungschefin Angela Merkel (CDU) wegen der Abweichler in den eigenen Reihen die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit.

Das droht nun auch morgen. Denn mit dem aktuellen Griechenland-Hilfspaket ist erneut eine bislang rote Linie überschritten worden: Erstmals wird Deutschland nicht nur Bürgschaften für Hilfskredite übernehmen, sondern direkte Zahlungen auf ein griechisches Konto leisten. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle rechnet immerhin mit einer breiten Mehrheit im Parlament. Man müsse zügig Klarheit schaffen, forderte er.

Mit dem erweiterten Rettungspaket soll eine Finanzierungslücke im Hilfsprogramm für Athen vorerst geschlossen und die Schuldenlast Griechenlands deutlich gesenkt werden. Dies ist Voraussetzung, damit die nächsten Hilfstranchen der Geldgeber freigegeben werden können. Geplant sind ein Schuldenrückkaufprogramm, Zinserleichterungen sowie längere Laufzeiten der Hilfskredite. Zudem sollen die Euro-Länder von 2013 an Gewinnanteile ihrer nationalen Notenbanken an Athen überweisen, die sich aus dem ersten Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) für griechische Schuldtitel ergeben.

Die Zustimmung der SPD wird sich heute morgen entscheiden, Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin deutete bereits an, dass seine Partei für die Rettungsmaßnahmen stimmen würde. Die Linke lehnt das Paket wie vorherige Rettungsbeschlüsse ab.

Darüber, dass ein Schuldenschnitt für Athen bei Weitem nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben ist, sind sich mittlerweile aber die meisten einig. Vor einer Sitzung des Haushaltsausschusses machten Fachpolitiker aus Regierung und Opposition gestern deutlich, dass sie mit einem weiteren Forderungsverzicht zulasten der Gläubigerländer rechneten. "Irgendwann ist das eine Option", sagte der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke. Sein Unionskollege Norbert Barthle sagte, auf längere Sicht könne ein Schuldenschnitt nicht ausgeschlossen werden - allerdings rechnet er damit nicht vor 2020. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt lehnte diesen Schritt allerdings weiter deutlich ab.

Der Hamburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin warnte davor, einen Schuldenerlass weiter als Tabu zu betrachten. Der Europaexperte seiner Fraktion wirbt in diesem Zusammenhang für einen "intelligenten Schuldenschnitt". "Um die Schuldenlast tragfähig zu machen, ist ein Schuldenschnitt auch der öffentlichen Gläubiger früher oder später wohl kaum zu umgehen", sagte er dem Abendblatt. Gleichzeitig sei ein sofortiger simpler Schuldenschnitt keineswegs die beste Lösung für Griechenland. Seine Idee: Ein konditionalisierter Schuldenerlass - und zwar erst am Ende des Jahrzehnts und nur unter der Bedingung, dass Spar- und Reformbedingungen eingehalten werden.

Konkret hieße das, "je mehr Reformen erfolgreich durchgeführt werden, umso größer die finanzielle Entlastung", so Sarrazin. Umgekehrt müsse das Gleiche gelten. Die öffentlichen Geldgeber könnten so viel genauer mit ihrem finanziellen und politischen Einfluss darauf hinwirken, "dass Griechenland in den kommenden Jahren einen richtigen Transformationspfad beschreitet". Wichtig sei dabei, dass sich die Reformen nicht nur auf Haushalt, Finanzen oder Wirtschaftspolitik beschränken würden.

Auch Rechtsstaatlichkeit, Demokratie oder Verwaltungseffizienz müssten berücksichtigt werden. Der Vorschlag soll jetzt in der Grünen-Fraktion diskutiert werden.