Paukenschlag im Prozess gegen Christian Goetjes: LKA-Fahnder prüfen, ob er als Zuhälter tätig ist. Der Prozess ist zunächst unterbrochen.

Potsdam. Gegen den wegen Veruntreuung von Parteigeldern angeklagten Ex-Schatzmeister der Brandenburger Grünen gibt es neue Vorwürfe: Christian Goetjes soll in Berlin einen Escort-Service mit bulgarischen Prostituierten betreiben. Hinweise darauf hat die Staatsanwaltschaft Potsdam vom Landeskriminalamt (LKA) Berlin erhalten, wie der Vorsitzende Richter Jörg Tiemann am Donnerstag im Untreue-Prozess vor dem Landgericht mitteilte. „Es gibt Anhaltspunkte, dass der Angeklagte Huren für Haus- und Hotelbesuche vermittelt“, sagte Richter Jörg Tiemann zur Überraschung aller. Der Prozess wurde zunächst bis zum 26. November (14.00) vertagt.

Goetjes steht wegen Veruntreuung von Parteigeldern vor Gericht. Der 34-Jährige soll zwischen Januar 2010 und Februar 2011 insgesamt knapp 274 000 Euro abgezweigt haben. Der frühere Schatzmeister hatte zum Prozessauftakt gestanden, sich systematisch an Konten und Kasse bedient zu haben – angeblich, um zwei befreundeten Prostituierten zu helfen. Sich selbst stellte der Angeklagte als mittellos dar. Er lebe von Hartz IV, so der wesentlich jünger wirkende Mann. Bei Zahlung von Schadenersatz an die Grünen werde er von den Eltern unterstützt.

Nun hat das Gericht aber Unterlagen von der Staatsanwaltschaft erhalten, die ein ganz anderes Bild zeichnen. Danach gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Goetjes als Zuhälter bulgarische Prostituierte über zwei Internetadressen vermittelt. Termine soll der 34-Jährige über ein Telefon ausgemacht haben, das auf den Namen seiner Mutter angemeldet ist. Zudem soll er die Frauen selbst zu den Freiern fahren, auch die Höhe des Dirnenlohns festlegen und sich die Hälfte auszahlen, berichtete der Vorsitzende Richter Tiemann aus den Unterlagen. Selbst nach Beginn des Prozesses soll Goetjes noch als Zuhälter tätig gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft wurde nach eigenen Angaben selbst von den neuen Vorwürfen überrascht: Ein Berliner LKA-Fahnder habe sich an die Behörde gewandt, nachdem eine Frau in der Abteilung Organisierte Kriminalität Anzeige gegen Goetjes erstattet habe. „Das war eine wirklich gute Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg“, so der Potsdamer Behördensprecher Helmut Lange. Die Zeugin soll nun vor Gericht gehört werden (27.11.).

Goetjes schwieg zunächst zu den Vorwürfen. Sie könnten in ein weiteres Verfahren gegen ihn münden – allerdings in Berlin. Für den Potsdamer Prozess sind sie für die Glaubwürdigkeit des Angeklagten und seines Geständnisses von Belang. Bis zum nächsten Verhandlungstag können sich die Beteiligten nun auf die neue Situation einstellen.

Das Gericht verschärfte zugleich die Bedingungen dafür, dass Goetjes auf freiem Fuß bleiben kann: Er darf keinerlei Kontakt zu der neuen Zeugin aufnehmen. Der Haftbefehl gegen den 34-Jährigen war nach dessen Festnahme im März 2011 gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft sieht vorerst keinen Anlass, nun dagegen vorzugehen. Goetjes stelle sich dem Prozess und habe ein Geständnis abgelegt. „Außerdem sind die Auflagen mit der Kontaktsperre erweitert worden“, meinte Behördensprecher Lange.

Die Grünen wollten sich zunächst nicht zu den neuen Vorwürfen äußern. Eigentlich hatten die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Benjamin Raschke am zweiten Prozesstag als Zeugen aussagen sollen. Nach der überraschenden Wende will das Gericht sie nun am 26. November anhören