Mehr als eine Viertel Million Euro zweigte Christian Goetjes von Parteikonten ab, um den Drogenentzug seiner heroinabhängigen Bekanntschaft vom Berliner Straßenstrich zu bezahlen und um für eine bulgarische Prostituierte vermeintliche Schulden zu begleichen.

Potsdam. Zweimal hat Christian Goetjes sein Herz an Prostituierte verloren. Und in beiden Fällen wurde der ehemalige Schatzmeister der Brandenburger Grünen kriminell. Mehr als eine Viertel Million Euro zweigte er von Parteikonten ab, um den Drogenentzug seiner heroinabhängigen Bekanntschaft vom Berliner Straßenstrich zu bezahlen und um für eine bulgarische Prostituierte vermeintliche Schulden zu begleichen. Regelmäßig plünderte Goetjes dafür die Parteikassen. Am Montag musste er sich dafür vor dem Potsdamer Landgericht verantworten.

Goetjes wird Veruntreuung in 267 Fällen vorgeworfen. Zwischen Januar 2010 und Februar 2011 soll er laut Anklage in regelmäßigen Abständen Geldbeträge von verschiedenen Parteikonten auf seine private Konten überwiesen. Zunächst tarnte er die Überweisungen mit fingierten Verwendungszwecken und Rechnungen, später machte er sich die Mühe nicht mehr.

Rund 206.000 Euro transferierte er von Konten der Landespartei, des Kreisverbandes Oberhavel und des Vermögensverwaltungsvereins der Partei auf seine Privatkonten. Außerdem beglich er private Rechnungen in Höhe von knapp 14.000 Euro über die Parteikonten und hob 54.200 Euro in bar ab. Laut Anklage veruntreute Goetjes auf diese Art und Weise 274.000 Euro. Inklusive Anwaltskosten und anderen Ausgaben, die durch Goetjes Taten entstanden sind, liegt der Schaden für den Grünen-Landesverband eigenen Angaben zufolge sogar bei 289.000 Euro.

Goetjes finanzierte einen Drogenentzug und angebliche Schulden

20.000 Euro hat Goetjes nach seiner Darstellung verwendet, um die Versuche seiner drogensüchtigen Rotlicht-Bekannten, clean zu werden, zu bezahlen. Kurz nach dem Entzug in einer Spezialklinik beendete er die Beziehung zu der Frau, um Wochen später ein Verhältnis zu einer bulgarischen Prostituierten zu beginnen. Auch diese hatte Goetjes auf dem Straßenstrich in Berlin-Schöneberg kennengelernt und nach wenigen Treffen als Freier mit ihr eine private Beziehung begonnen. „Ich fand sie attraktiv und fühlte mich zu ihr hingezogen, war zeitweise in sie verliebt“, sagte Goetjes.

Ein Jahr lang habe er der Frau geglaubt, dass „bulgarische Kredithaie“ unter Gewaltandrohung von ihr Geld forderten und sie zudem mehrere Tausend Euro für eine vermeintlich kranke Schwester brauche. Mehrmals habe Goetjes der Frau höhere Barsummen bis zu 15.000 Euro übergeben, die er zuvor von den Parteikonten abgeräumt hatte. Erst als seine illegalen Transaktionen im Frühjahr 2011 aufflogen und er per Haftbefehl gesucht wurde, sei ihm klar geworden, dass er selbst zum Betrugsopfer geworden sei, sagte Goetjes. Die bulgarische Prostituierte und deren Zuhälter hätten ihm insgesamt 200.000 Euro abgenommen.

Dem Vorsitzenden Richter, Jörg Thiemann, fiel schwer zu verstehen, warum sich Goetjes nach der ersten Erfahrung erneut eine osteuropäische Frau auf dem Straßenstrich suchte. Ebenso wollte er nicht glauben, dass es sich bei dem Angeklagten um einen naiven, gutgläubigen Freier mit wenig Lebenserfahrung handele. Vielmehr suggerierte der Richter mit seinen Fragen, dass Goetjes den „gönnerhaften, starken Mann“ darstellen wollte, der in Wirklichkeit bei seinen Eltern lebte, die ihn verköstigten und mit monatlich 300 Euro unter die Arme griffen.

Verwundert zeigte sich der Richter, wie selbstverständlich sich Goetjes an den Parteikonten verging. Doch wurde es dem Schatzmeister, der immerhin zwölf Jahre in diesem Amt tätig war, offenbar auch leicht gemacht. Ein ausgeprägtes Kontrollsystem für die Parteifinanzen gab es bei den Grünen nicht. Goetjes verfügte für die ihm anvertrauten Konten über Einzelvollmachten und hatte als einziger Onlineberechtigungen.

„Ich habe absolut Falsches getan, um Gutes zu tun“, sagte Goetjes. Das sei nicht mit einer einfachen Entschuldigung wieder gutzumachen. Mit den Grünen einigte er sich außergerichtlich: 65.000 Euro muss er an die Partei zurückzahlen. Das strafrechtliche Urteil soll am 15. November gefällt werden.