Die genaue Anzahl der vernichteten Akten ist unklar. Nach bisherigen Erkenntnissen stammen die Unterlagen aus der Zeit vor dem Jahr 2009.

Berlin. Bei der Aufklärung der NSU-Mordserie ist den Berliner Sicherheitsbehörden offenbar eine Panne unterlaufen. So schredderte der Landesverfassungsschutz am 29. Juni dieses Jahres „aufgrund eines Missverständnisses“ mehrere Akten zum Thema Rechtsextremismus, wie eine Sprecherin am Dienstag mitteilte. Es gebe aber keinerlei Anhaltspunkte, dass die vernichteten Unterlagen Erkenntnisse über die NSU-Terrorgruppe enthalten hätten. Oppositionsvertreter zeigten sich in diesem Zusammenhang allerdings skeptischer und sprachen von einem Skandal.

Am Nachmittag waren die Fraktionen im Abgeordnetenhaus in der Senatsinnenverwaltung über den Vorgang unterrichtet worden. An dem kurzfristig einberufenen Treffen nahmen unter anderen Vertreter der Grünen, der Piraten und der CDU teil.

Die genaue Anzahl der vernichteten Akten ist unklar. Nach bisherigen Erkenntnissen stammen die Unterlagen aus der Zeit vor dem Jahr 2009. Laut der Sicherheitsbehörde sollen darin unter anderem Vorgänge um Horst Mahler, zum rechtsextremistischen Bandprojekt „Landser“ oder zur „Heimattreuen Deutschen Jugend“ behandelt worden sein.

Nach dem Verfassungsschutzgesetz müssen Akten innerhalb bestimmter Fristen gelöscht werden. Paragraf vier sieht allerdings vor, dass die Unterlagen zuvor dem Landesarchiv angeboten werden müssen, um Inhalte von historischem Interesse zu sichern. Die betroffenen Akten waren ebenfalls für die Einlagerung vorgesehen und laut der Verfassungsschutzsprecherin mit einem „L“ für die Übergabe gekennzeichnet. Allerdings seien sie am 29. Juni „aus Versehen“ durch Behördenmitarbeiter zusammen mit als nicht archivwürdig eingestuften Unterlagen entsorgt worden. Nach Angaben der Verfassungsschutzbehörde gibt es erst seit dem 20. Juli ein generelles Aktenvernichtungsverbot für diesen Bereich.

Die Oppositionsvertreter zeigten sich empört. „Berlin hat jetzt auch einen Aktenschredder-Skandal“, sagte die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann. Aus ihrer Sicht könne zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls ausgeschlossen werden, dass durch die Aktion auch Informationen vernichtet worden seien, die für die Aufklärung der NSU-Mordserie wichtig sein könnten. „Wir fordern eine schnelle und lückenlose Aufklärung“, sagte sie.

Ähnlich äußerte sich die Linke. Berlin habe nach einem LKA- nun auch einen Verfassungsschutz-Skandal, sagte der Fraktionsvorsitzende Udo Wolf. Zugleich beschwerte er sich darüber, dass die Abgeordneten „kurzfristig“ von der Innenbehörde eingeladen und in Kenntnis gesetzt worden seien. Dabei sei kein ernsthafter Versuch unternommen worden, die Linkspartei rechtzeitig zu informieren. Dies könne nur so verstanden werden, dass einigen Abgeordneten wichtige Hinweise vorenthalten werden sollten.

Die Sicherheitsbehörden waren bereits in den vergangenen Wochen in Erklärungsnot geraten, weil ein NSU-Helfer mehr als ein Jahrzehnt mit der Berliner Polizei zusammengearbeitet und Hinweise auf den Aufenthaltsort der Rechtsterroristen gegeben hatte. Innensenator Frank Henkel (CDU) war dabei stark unter Druck geraten, weil er die Öffentlichkeit nicht rechtzeitig über die Vorgänge informiert hatte. In mehreren Ausschusssitzungen hatte er anschließend eine schonungslose Aufklärung zugesagt.