Wird der Fall Strepp zum Fall Seehofer? Opposition sieht im Rücktritt seines Sprechers ein Bauernopfer. Auch Generalsekretär in der Kritik.

München. Die Sache ist ernst und sie erfordert schnelles Eingreifen. Statt zur Konferenz der Ministerpräsidenten nach Weimar zu fahren, eilte er gestern Vormittag in den bayerischen Landtag, um zu signalisieren, dass die Affäre um seinen Parteisprecher Michael Strepp schnell beendet werde: "Das ist keine Sache von Tagen, sondern von Stunden", kündigte der CSU-Vorsitzende an.

Rund 100 Minuten später wurde die Trennung offiziell verkündet. "Der CSU-Sprecher Dr. Hans Michael Strepp hat heute den Parteivorsitzenden Horst Seehofer gebeten, ihn von der Aufgabe des Pressesprechers zu entbinden. Horst Seehofer hat dieser Bitte entsprochen", lautete die dürre Erklärung, die um 12.08 Uhr von der CSU-Landesleitung verbreitet wurde. Der Machtmensch Seehofer machte damit deutlich, dass er sich nicht auf Nebenkriegsschauplätzen verkämpft, die sowieso keinen Sieg versprechen.

Eine Klärung, ob die schwerwiegenden Vorwürfe gegen den 44-Jährigen zutreffen, gab es allerdings nicht. "Wir haben versucht, die Sache aufzuklären, in dem Sinne, dass sie gleichgerichtet gesehen wird. Das war nicht möglich", sagte Seehofer später. Laut dem CSU-Chef gibt es weiterhin zwei Versionen der Wahrheit, die von Strepp und die des ZDF. Strepp hat am Sonntagnachmittag beim ZDF angerufen, angeblich um eine Berichterstattung über die Nominierung des SPD-Spitzenkandidaten Christian Ude in der "heute"-Sendung zu verhindern. Das wäre ein Angriff auf die Pressefreiheit.

ZDF-Chefredakteur Peter Frey sagte dazu: "Der CSU-Pressesprecher hat auf verschiedenen Wegen versucht, die Berichterstattung des ZDF über eine andere Partei zu beeinflussen." Strepp schickte zunächst am frühen Sonntagmorgen eine SMS an den Leiter des ZDF-Landesstudios München, Ulrich Berls. Darin habe er sich nach dem geplanten Umfang der "Berichterstattung Ude" erkundigt. Berls habe Strepp daraufhin angerufen und ihm mitgeteilt, dass eine Berichterstattung geplant sei, dafür aber die Senderzentrale in Mainz zuständig sei. Der CSU-Sprecher habe dann erfolglos per SMS versucht, Kontakt zum Leiter der ZDF-Hauptredaktion Aktuelles Kontakt aufzunehmen, um mit diesem über die SPD-Berichterstattung zu sprechen.

Das ZDF zitierte außerdem den "heute"-Redakteur, mit dem Strepp gesprochen hatte. Dieser fasste das Telefonat zusammen: "Er fragte, ob wir wüssten, dass weder die ARD noch Phoenix über den SPD-Landesparteitag berichten würden. Er sei informiert, dass wir einen Beitrag planten. Weit davon entfernt in das Programm reinzureden, wolle er aber doch zu bedenken geben, dass es im Nachklapp Diskussionen geben könnte, wenn das ZDF im Alleingang sende." ZDF-Intendant Thomas Bellut kommentierte den Anruf Strepps in der "heute"-Redaktion: "Die Intention des Anrufs war eindeutig."

In den Gesprächen mit der CSU, an denen Seehofer nach seinen Worten nicht direkt beteiligt war, blieb das ZDF bei dieser Darstellung. Strepp bestreitet das Telefonat nicht, aber den Versuch der Beeinflussung. Er hatte sich aber entschuldigt, falls der Eindruck entstanden sei, dass er Druck ausüben wollte. Es sei "ein schwerer Schritt" für ihn, sich von Strepp zu trennen, mit dem er vier Jahre lang "sehr gut und vertrauensvoll" zusammengearbeitet habe, sagte Seehofer. Beendet ist das Kapitel für ihn aber noch nicht. Seehofer kündigte an, dass in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Senders, in denen auch die CSU vertreten ist, weiter die Aufklärung versucht werde. In den Reihen der Journalisten ist die Meinung über die Arbeit des Pressesprechers geteilt. Offenbar hatte sich Strepp auf die Berliner Szene und die Medien mit nationaler Verbreitung konzentriert. Dort kam er bei seinen Gesprächspartnern in der Regel gut an. Er galt als analytisch, zurückhaltend und kommunikativ. Und immer überaus loyal gegenüber seiner Partei. Allerdings wurde er auch als leicht überheblich und uninteressiert wahrgenommen, wenn die Journalisten kleinerer Medien Auskunft wollten.

Dabei ist Strepp ein intimer Kenner der CSU. Der ehemalige Staatsanwalt und Richter war seit 2006, als Edmund Stoiber noch Ministerpräsident und CSU-Chef war, Pressesprecher der Partei - und in den letzten Jahren vor allem für den Generalsekretär tätig. Denn Seehofer macht seine parteitaktische Strategie meist persönlich und in direktem Gespräch bekannt. Der Weggang Strepps ist deshalb - ganz abgesehen von der politischen Dimension - eher ein operatives Problem für den Generalsekretär als für den Parteichef.

Seehofer zeigte auch Distanz. Bei den Krisengesprächen sei er auch der Frage nachgegangen, ob Strepp im Auftrag gehandelt habe. "Von mir weiß ich ja, dass das nicht zutrifft", sagte Seehofer und lenkte damit zu Generalsekretär Alexander Dobrindt über, der quasi der direkte Vorgesetzte Strepps war. Außerdem ist Dobrindt Mitglied im Fernsehrat des ZDF. Ex-Sprecher Strepp habe aber "klipp und klar" erklärt, dass er nicht im Auftrag gehandelt habe, versicherte Seehofer.

Die Opposition in Bayern glaubt das nicht. "Es ist unwahrscheinlich, dass Strepp ohne Wissen von Alexander Dobrindt gehandelt hat", sagte SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. "Er war nur der ,Streppenzieher', gehandelt hat er im Auftrag von Generalsekretär Dobrindt", sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher und sprach von einem "Bauernopfer". Denn die Affäre Strepp sei auch "eine handfeste Causa Seehofer". Anonym sagte auch ein CSU-Abgeordneter, dass es für die Partei besser wäre, wenn auch Dobrindt gehen würde. "So einen schwachen Generalsekretär hatten wir schon lange nicht mehr."

Die Affäre um seinen Pressesprecher kommt für Seehofer zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Gerade hatte er am vergangenen Wochenende einen Parteitag gut über die Bühne gebracht. Ohne Streit und Kontroversen. Die Partei schien zufrieden, geschlossen und fühlte sich stark wie schon lange nicht mehr.

Beste Voraussetzungen für den langen Wahlkampf bis zum September 2013. Vorausgesetzt es gab den Einschüchterungsversuch, erinnerte das Verhalten des Pressesprechers nun an alte Zeiten, als die CSU mit überzogenem Machtanspruch versuchte, in alle Bereiche des Freistaats hineinzuregieren, und dabei die Maßstäbe oft aus den Augen verlor. Der Sturz Edmund Stoibers und der Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl 2008 waren die Folge für die Partei.