Tausende nehmen an Protestzug für bessere Lebensumstände teil. FDP will offenbar Arbeitsverbot von Asylbewerbern abschaffen.

Berlin. Mit einem Protestzug durch Berlin haben am Sonnabend Tausende Menschen auf die prekäre Lage von Flüchtlingen in Deutschland aufmerksam gemacht. Dabei forderten sie die Abschaffung der Residenzpflicht, nach der Flüchtlinge die ihnen zugewiesene Region nicht verlassen dürfen. Zudem sprachen sie sich für schnellere Asylverfahren aus. Nach Angaben der Organisatoren war es die bundesweit erste gemeinsame Demonstration von Flüchtlingen.

Nach Schätzungen der Veranstalter beteiligten sich mehr als 3.000 Menschen. Die Polizei sprach von 2.000 Teilnehmern. Der Protestzug unter dem Motto „Willkommen in Berlin! Für einen menschenwürdigen Aufenthaltsstatus in Deutschland“ begann am Oranienplatz in Kreuzberg und sollte am Bundestag enden. Der Polizei zufolge blieb es zunächst friedlich. Neben Flüchtlingen aus ganz Deutschland beteiligten sich viele Unterstützer aus verschiedenen Alters- und Bevölkerungsschichten.

Die Teilnehmer skandierten unter anderem „Bleiberecht überall“. Auf Plakaten waren Parolen wie etwa „Abschiebung ist Mord“ geschrieben. Zu Beginn der Demonstration wurde zudem an einem Haus ein riesiges Transparent entrollt, auf dem „Abschiebestopp, Residenzpflicht und Lager abschaffen“ zu lesen war.

Die Demonstranten forderten auch die Abschaffung des generellen Arbeitsverbots von Flüchtlingen. Nach einem Bericht des „Tagesspiegel am Sonntag“ plant die FDP einen solchen Schritt. Bewerber sollten das Recht zur Arbeit „vom ersten Tag an“ erhalten, sagte der Innenexperte der Partei im Bundestag, Hartfrid Wolff, dem Blatt. Es gebe in Deutschland einen „erheblichen Bedarf“ an Arbeitskräften. Deshalb sei es nicht einzusehen, warum Asylbewerber nicht sofort einen Job antreten sollten.

Unmut löste unter einigen Teilnehmern auch die Situation in den Flüchtlingslagern aus. Auf einem Transparent wurde die Schließung eines Heims im thüringischen Breitenworbis gefordert. „Die Lebensumstände sind menschenunwürdig“, beklagte sich Ahmeb Nennesi. Der 28-jährige Afghane lebt dort nach eigener Aussage seit sechs Jahren. Die Bewohner seien isoliert und hätten kaum eine Chance, Kontakte zu Deutschen zu knüpfen, beklagte er sich.

Er würde gern eine Ausbildung beginnen und sich anschließend nach einer Arbeitsstelle umschauen. Aber seine Aufenthaltsgenehmigung werde nur alle drei Monate verlängert, sagte er. Die Rückkehr nach Afghanistan sei keine Alternative. Dort sei die politische Situation unsicher und er fühle sich durch die Taliban bedroht. Seine Familie lebe dort nur noch, weil sie kein Geld für eine Ausreise habe.

Unterdessen mahnte Martin Schröter von der Initiative gegen Abschiebehaft eine verbesserte Asylpolitik an. „Wir sind ein Volk, das immer älter wird und deshalb auf Zuwanderung angewiesen ist“, erklärte er. Seit 1994 protestiere er mit Mitstreitern zum Beispiel gegen die Schließung des Abschiebegefängnisses in Köpenick. Niemand dürfe die Freiheit entzogen werden, nur weil er keine deutschen Papiere besitze, sagte er.

„Ich demonstriere für Bewegungsfreiheit und die Erlaubnis zu arbeiten“, sagte Jerry (26), der aus Wolfsburg angereist ist. Er habe sein Heimatland Burundi im Alter von sechs Jahren verlassen müssen. Seit fünf Jahren sei er in Deutschland. In seiner Unterkunft fühle er sich wie im Lager. „Du bist nicht frei.“

Die rechtspopulistische Splitterpartei „Pro Deutschland“ hatte zeitgleich eine Gegenkundgebung nahe dem Reichstag mit 50 Teilnehmern angemeldet. Zusammenstöße hatte es laut Polizei am späten Nachmittag noch nicht gegeben.

Der Protestzug war Teil einer großen Aktion, bei der kürzlich rund 70 Flüchtlinge zusammen mit mehr als 100 Unterstützern von Würzburg nach Berlin marschiert waren. Am 6. Oktober waren die Asylbewerber in der Hauptstadt angekommen. Seitdem leben sie am Oranienplatz in einer von der Stadt geduldeten Zeltstadt. Im Schnitt halten sich dort nach Angaben von Teilnehmern 60 Personen auf.