Bundesumweltminister Peter Altmaier will die Bürger zum Energiesparen ermutigen. Wohlfahrtsverbänden und FDP reicht das nicht.

Berlin. Es ist eine der großen Fragen der Energiewende: Wie kann der Ausbau der Erneuerbaren gestaltet werden, ohne dass der Verbraucher zu stark belastet wird? Um darauf Antworten zu liefern, hat Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) für heute Sozialverbände, Verbraucherschützer und Kirchen zum runden Tisch geladen. Im Mittelpunkt steht dabei eine Idee, die Altmaier im August in einem Zehn-Punkte-Papier vorgestellt hat: Privaten Haushalten, vor allem den einkommensschwachen, soll durch eine kostenlose Beratung geholfen werden, Energie zu sparen. "Nach zurückhaltenden Schätzungen können hier über 30 Prozent Strom gespart werden", heißt es in dem Papier. "Damit ließen sich steigende Strompreise in vielen Fällen ausgleichen."

Doch schon vor dem Treffen bekommt Altmaier von seinen Gästen Gegenwind: "Es wäre naiv, die wachsende Armut durch steigende Energiekosten allein mit kostenlosen Energiespar-Beratungsangeboten lösen zu wollen", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes dem Abendblatt. "Und die Haushalte, die schon jetzt ihre Stromrechnungen kaum bezahlen können, haben in der Regel auch keine finanziellen Reserven zur Anschaffung energiesparender Verbrauchsgeräte."

Das Konto, aus dem die Förderung von Wind- und Solarstrom finanziert wird, befindet sich schon heute mit2,68 Milliarden Euro im Minus. Den Bürgern droht 2013 eine starke Erhöhung der Strompreise. Die Höhe der auf den Strompreis aufgeschlagenen Umlage für das kommende Jahr wird in einer Woche von den für die Verwaltung des Kontos zuständigen Übertragungsnetzbetreibern bekannt gegeben. Erwartet wird, dass die Umlage von 3,6 Cent je Kilowattstunde auf bis zu 5,3 Cent steigen könnte, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Derzeit schlägt die Förderung mit 125 Euro für einen Durchschnittshaushalt zu Buche, sie könnte für 2013 auf bis zu 185 Euro steigen. Ein Grund dafür ist auch die Ausweitung von Rabatten und Ausnahmen für energieintensive Betriebe. Die übrigen Stromverbraucher müssen deshalb mehrere Milliarden Euro zusätzlich mitschultern.

"Wenn nun durch die Erneuerbare-Energien-Umlage die Strompreise noch einmal steigen, ohne dass ein Ausgleich für Niedriglohnbezieher oder Familien in Hartz IV geschaffen wird, werden schlicht noch mehr Menschen ihren Strom künftig nicht mehr bezahlen können", warnte Schneider. "Die Zahl der Stromnotfälle wird weiter explodieren." Wichtig sei deshalb neben der Übernahme von Stromkosten bei Hartz-IV-Beziehern auch eine Reform des Wohngelds, die die Preisentwicklung auf dem Energiemarkt berücksichtige. Auch die Verbraucherzentrale betont den sozialen Aspekt in der Strompreisfrage. Holger Krawinkel, Fachbereichsleiter für Energie und Umwelt, warnte, die Kosten dürften nicht weiter aus dem Ruder laufen. Die Finanzierung der Energiewende ausschließlich über den Strompreis sei sozial ungerecht. "Wir brauchen daher einen Beitrag aus Steuermitteln", forderte er.

Obwohl sie damit bei Altmaier nach wie vor auf Widerstand stößt, pocht die FDP weiter auf eine Senkung der Stromsteuer, um die Verbraucher zu entlasten. "Wir brauchen eine kurzfristige Antwort auf die steigenden Strompreise", sagte Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner dem Abendblatt. "Wir sollten die Stromsteuer senken, am besten in der Höhe der zu erwartenden Mehrwertsteuer-Mehreinnahmen durch die steigende EEG-Umlage. Das würde einem Privathaushalt zehn bis 15 Euro pro Jahr bringen." Von den von Altmaier vorgeschlagenen Energieberatungen hält Birkner wenig. "Es ist richtig, dass wir die Energieeffizienz steigern müssen. Aber es gibt schon Energieberatungen ohne Ende", so Birkner.

Birkner kennt das reichhaltige Angebot. Bisher gibt es unter anderem Energieberatungen der Verbraucherzentralen und den Stromspar-Check der Caritas sowie des Bundesverbandes der Energie- und Klimaschutzagenturen. Dabei werden Langzeitarbeitslose zu Stromsparhelfern geschult, die gratis Energiesparartikel wie Glühbirnen einbauen. Im Schnitt können so rund 86 Euro Stromkosten pro Jahr gespart werden.

Bisher gibt es dieses Angebot aber nur für Empfänger von Sozialleistungen - Umweltminister Altmaier möchte es aber gern auf alle interessierten Haushalte ausweiten. "Eine Veränderung des Verhaltens bei den privaten Haushalten, aber auch eine notwendige energetische Gebäudesanierung kann zu mehr als einer Halbierung des Stromverbrauchs führen", so Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) greift Altmaiers Vorschlag zu kurz: "Es kommt darauf an, Energie in all ihren Formen effizienter und intelligenter zu nutzen. Isoliert auf den Stromverbrauch zu schielen, wäre zu kurz gesprungen und ist manchmal sogar kontraproduktiv", sagte ZDH-Geschäftsführer Karl-Sebastian Schulte dem Abendblatt. "Eine moderne Wärmepumpe als Ersatz für eine alte Heizungsanlage beispielsweise erhöht den Stromverbrauch zwar leicht - verbessert aber im Gegenzug die Energie- und Klimabilanz eines Hauses deutlich." Das Handwerk wünsche sich, "dass die Sensibilität des Verbrauchers für Effizienzpotenziale generell erhöht wird. Nicht nur bei Elektrizität, sondern auch bei Wärme, Wasser, Kälte und Mobilität."