Vize-Vorsitzender Sebastian Nerz greift den politischen Geschäftsführer Johannes Ponader an. Partei sinkt in Umfragen unter fünf Prozent.

Berlin. Ach, so schlimm sei das doch gar nicht. Das sagten Piraten am Donnerstagmorgen, nachdem sich am Vorabend Mitglieder der Parteispitze auf der Plattform Twitter einen Schlagabtausch geliefert hatten. Nun war erst einmal Beschwichtigung angesagt. Im Netz überdeckte man offene Gräben. So wie es auch jede andere Partei tun würde. Doch ein Unterschied bleibt bei den Piraten: Mit einem im Internet ausgetragenen Streit ist es wie mit der Zahnpasta, die zurück in die Tube soll: keine Chance.

Und so wurde bereits nach ein paar Telefonaten klar, dass es zu einem Showdown im Bundesvorstand gekommen ist: Der stellvertretende Bundesvorsitzende Sebastian Nerz gegen den umstrittenen politischen Geschäftsführer Johannes Ponader. Der Ausgang ist offen. "Es gibt ein Problem des Vorstandes mit Johannes Ponader", sagte Nerz der "Welt". Ponader ignoriere Mehrheitsmeinungen des Vorstandes, wenn diese ihm nicht passten. "Teilbereiche des Vorstandes sind heute nicht arbeitsfähig", erklärte der Vize-Vorsitzende.

Nerz sieht nur noch zwei Wege aus der Krise. Beide sind drastisch: entweder würden Aufgabenbereiche nur noch einzeln bearbeitet. So etwas wie eine gemeinsame Medienstrategie wäre dann nicht mehr möglich. Oder, so findet Nerz: "Es müssen personelle Konsequenzen gezogen werden: Das wären dann Rücktritte." Es sieht damit so aus, als ob die Newcomer-Partei bald einen ihrer Oberpiraten verlieren könnte.

Der Streit eskalierte, nachdem sich ein paar Vorstandspiraten von Ponader hintergangen fühlten. Bei einem Treffen des Gremiums am vergangenen Wochenende in Hamburg wurde nach Angaben von Teilnehmern heftig über die Auftritte von Ponader in den Medien diskutiert. Anschließend beschloss der Vorstand mehrheitlich, Ponader solle sich für eine Weile komplett vom öffentlichen Parkett zurückziehen. Der Geschäftsführer hielt den Vorschlag allerdings nicht für sinnvoll. Er folgt damit seiner Leitlinie: Er ist dem Parteitag verpflichtet, der ihn gewählt hat - jedoch nicht dem Vorstand. Und nun wurde bekannt, dass Ponader weiterhin eine Einladung zur Talkshow von Benjamin von Stuckrad-Barre annehmen möchte.

Der zur Schau gestellte Streit ist besonders heikel, da die internen Querelen in Dauerschleife gehen und mittlerweile den geplanten Einzug in den Bundestag gefährden: Am Donnerstag wurde bekannt, dass die Piraten im Deutschlandtrend von ARD und "Welt" erstmals seit einem Jahr unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen sind. Die Union konnte dagegen im Vergleich zum Vormonat um zwei Punkte zulegen und erreicht 39 Prozent. Dies ist ihr höchster Wert seit März 2008. Die SPD legt um einen Punkt zu und kommt auf 31 Prozent. Die Grünen verlieren zwei Punkte und erreichen elf Prozent. Die FDP bleibt unverändert bei vier Prozent. Die Linke legt um einen Punkt zu auf sieben Prozent.

Demoskopen machen für den Abwärtstrend der Piraten, deren Aufstieg vor einem Jahr mit dem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus begann, auch den regelmäßigen Wirbel um Ponader verantwortlich: Der 35-Jährige mit den Sandalen ist wahrscheinlich der Pirat, der am meisten polarisiert. Der Nachfolger von Marina Weisband erklärte vor ein paar Monaten in einem großen Zeitungsartikel seinen Ausstieg aus dem Hartz-IV-System.

Intern gab es schon damals Kritik an Ponader: Die Mehrheit des Vorstandes war dagegen, die parteipolitische Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen so eng mit dem persönlichen Schicksal Ponaders zu verknüpfen. Ponader hielt dennoch an seinem Plan fest. Andere Vorstandsmitglieder nannten ihn "beratungsresistent". Der Geschäftsführer beschwerte sich dagegen, die Piraten müssten kampagnenfähiger werden.

Der nächste Wirbel folgte, nachdem über eine von Ponader begrüßte Spendenaktion für seinen Lebensunterhalt im Notfall berichtet wurde. Da hagelte es sogar Rücktrittsforderungen.

Nun war es eigentlich ruhig um Ponader geworden, der sich stark für die Kernforderung der Piraten nach Transparenz einsetzt und damit regelmäßig aneckt. Zuletzt wurde Vorstandsmitglied Julia Schramm durchs Piraten-Dorf getrieben, nachdem sie gegen Raubkopien ihres gerade erschienenen Buchs vorgegangen war. Doch nach wenigen Tagen ohne internes Piraten-Gemetzel steht nun erneut Ponader in der Kritik.

Vorstandsmitglied Matthias Schrade formuliert dies so: "Es gibt seit geraumer Zeit interne Kritik an der Art und Weise, wie sich Johannes in den Vordergrund stellt", sagte Schrade. Anregungen habe Ponader nicht umgesetzt. Nerz sagte: "Wir haben einige Monate versucht, verlässlich zusammenzuarbeiten. Das hat manchmal gut geklappt. Mittlerweile ist aber ein Punkt erreicht, an dem man den grundliegenden Konflikt öffentlich machen muss."