Berlin. Das geplante Betreuungsgeld könnte nach Einschätzung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern aus armen Familien einschränken. So kommt eine Langzeitstudie der AWO zu dem Schluss, dass sich vor allem jene Kinder aus dem Armutskreislauf befreien konnten, die staatliche Hilfsangebote wie Kitas nutzten. "Starke Institutionen können Kindern das bieten, was sie zu Hause eventuell nicht bekommen können", erklärte AWO-Bundeschef Wolfgang Stadler gestern in Berlin. Die Befunde sprächen klar gegen das von der Koalition geplante Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erzögen, anstatt in eine Kita zu schicken. Zum einen kämen diese Kinder nicht in Kontakt mit den Institutionen, zum anderen fehle das dafür aufgewendete Geld, um die Hilfen auszubauen.

Armut bei Kindern muss demnach kein Dauerzustand sein. Der Langzeituntersuchung zufolge war zwar jedes zweite Kind, das im Jahr 1999 in Armut lebte, zehn Jahre später weiterhin arm. 43 Prozent der Familien hätten es in der Zeit allerdings etwa auch durch einen Job geschafft, aus der Armut auszusteigen, berichtete Studienleiterin Gerda Holz vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS). Das Motto "Einmal arm, immer arm" gelte daher nicht mehr. Allerdings rutschte rund jedes fünfte Kind (18 Prozent) über die Zeit in Armut ab. Konkret lebten zum Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2009/2010 57 Prozent der Kinder nach wie vor in ärmlichen Verhältnissen. Für die Untersuchung gilt als arm, wenn Familien höchstens 50 Prozent des Durchschnittseinkommens haben.

Die Langzeitstudie der AWO begleitete 900 Kinder vom Vorschulalter bis zum Ende der Sekundarstufe I. Im Fokus standen dabei die Folgen von Armut auf die Entwicklung. Die 1993 geborenen Kinder wurden 1999 das erste Mal befragt, 2003/2004 ein zweites und 2009/2010 ein drittes Mal.