Politikerinnen wollen ohne Fraktionszwang über die Frauenquote abstimmen. Auch der Norden macht Druck auf die Familienministerin.

Berlin. Angela Merkel ist genervt. Sie hatte eigentlich ein klares Machtwort gesprochen, damals im Frühjahr 2011, als sich Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) öffentlich über die Frauenquote beharkten. "Es wird keine gesetzlich verpflichtende Quote geben", hatte die Kanzlerin über ihren Sprecher ein für alle Mal ausrichten lassen und sich auf Schröders Seite gestellt. Ein für alle Mal? Das jedenfalls hatte Merkel seinerzeit gehofft. Offenbar sehr zu ihrem Unmut ist es nun anders gekommen.

Denn der Wunsch nach der festen Quote hatte sich längst in Köpfen einiger CDU-Mitglieder festgesetzt - vor allem in der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion im Bundestag. Diese Runde um Frontfrau Rita Pawelski (CDU) sah nicht ein, dass man sich dem Willen von CSU und FDP beugen und mit der abgeschwächten Flexi-Quote, einem Konzept Schröders, begnügen müsse. Die Flexi-Quote sieht vor, dass sich die Unternehmen selbst Ziele für Frauen in den Führungsgremien setzen und nicht mit einer Sanktionierung rechnen müssen.

Trotz Merkels Machtwort hielt sich bei den CDU-Frauen die Idee eines gemeinsamen Antrags mit der Opposition hartnäckig und bekam am Freitag durch den Bundesratsbeschluss für eine feste Quote neuen Schub. "Ich werde darauf drängen, dass der Fraktionszwang aufgehoben wird", sagte Pawelski dem "Focus". Sie setze bei der Abstimmung im Bundestag auf das "frauenpolitische Gewissen" der Abgeordneten.

Dieses frauenpolitische Gewissen hatte sich im Bundesrat offenbar auch bei Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) durchgesetzt. Beide stimmten für den Hamburger Antrag für eine gesetzliche Quote und sorgten damit für die notwendige Mehrheit. Zwei hochrangige CDU-Politiker stützten damit offen ein SPD-Projekt und stellten sich gegen die Linie der Kanzlerin. Ein Affront, der nicht nur Merkel, sondern auch Kristina Schröder gefährlich werden kann. "Solange ich Ministerin bin, wird es keine starre Quote geben", hatte diese vor einiger Zeit gesagt. Es steht also nicht nur die Autorität der Kanzlerin auf dem Spiel, sondern auch das Amt ihrer Familienministerin. Merkel hat die beiden Abtrünnigen nun zu sich ins Kanzleramt bestellt, wie der "Spiegel" berichtet. Das Krisentreffen solle Kramp-Karrenbauer und Haseloff wieder auf Parteilinie bringen.

Ob der Gesetzentwurf für die Frauenquote im Bundestag Erfolg hat, hängt nun vor allem davon ab, wie viele Mitstreiter Pawelski mobilisieren kann. CSU und FDP wollen gegen die Quote stimmen. "Die breite Mehrheit unserer Abgeordneten lehnt eine solche staatliche Bevormundung klar ab", sagte CSU-Geschäftsführer Stefan Müller der "Welt". Ähnlich äußerte sich sein FDP-Kollege Jörg van Essen. Pawelski aber sprach am Wochenende optimistisch von einigen Unterstützern ihres Kurses. Tatsächlich finden sich CDU-Abgeordnete auch unter den Unterzeichnern der sogenannten Berliner Erklärung, die sich für eine feste Frauenquote einsetzt, darunter Arbeitsministerin von der Leyen, CDU-Fraktionsvize Ingrid Fischbach und Integrationsbeauftragte Maria Böhmer. Auch der Hamburger Abgeordnete Jürgen Klimke kündigte an, für die gesetzliche Quote votieren zu wollen. Grüne, SPD und Linke sind ohnehin dafür. Der CDU-Vorstand hatte sich Ende August allerdings auf die Flexi-Quote festgelegt.

Auch aus dem Norden kommt Druck, dieses Thema voranzutreiben. Allein auf Freiwilligkeit zu setzen reiche nicht, sagte Schleswig-Holsteins Familienministerin Kristin Alheit (SPD) dem Abendblatt. "Eine verbindliche Regelung für einen Frauenanteil in Führungsgremien von Unternehmen ist überfällig. Hier erwarte ich auch vom Bund Bewegung."

Gegenwind darf die Familienministerin auch heute erwarten, wenn sie den aktuellen Familienmonitor präsentiert. Er enthält jedes Jahr umfangreiche Erhebungen über die Bedürfnisse deutscher Familien - und hat deshalb das Potenzial, die Debatte um derzeit umstrittene Programme in der Familienpolitik erneut zu befeuern. "Es hakt bei den familienpolitischen Leistungen", sagte Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) dem Abendblatt. "Der Bund kündigt seit Jahren immer wieder an, alle ehe- und familienbezogenen Leistungen abschließend zu überprüfen. Ein Vorhaben, das er bis heute auf die lange Bank geschoben hat."

Stattdessen würden neue Baustellen wie das Betreuungsgeld eröffnet, "das im Widerspruch zu anderen familienpolitischen Leistungen steht", so Scheele. Im Gegensatz zum Elterngeld und den Regelungen im Unterhaltsrecht halte die Zahlung "Kinder von der Kita und Eltern von einer erneuten Berufstätigkeit ab". Auch Ministerin Alheit forderte, diesen "Irrweg" zu beenden. "Wer behauptet, mit dem Betreuungsgeld Wahlfreiheit zu schaffen, ignoriert die Wirklichkeit: Wahlfreiheit setzt Auswahl voraus. Und die gibt es nur mit einer ausreichenden Anzahl von bedarfsgerechten Kita-Plätzen", so die Schleswig-Holsteinerin. "Wir wollen, dass der Bund die vorgesehenen Mittel für den Krippenausbau einsetzt anstatt für das Betreuungsgeld."