Hamburger Grüne leiten vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr den Generationswechsel ein, die Spitzen im Bund bestimmt die Basis.

Berlin. An einem durchaus historischen Moment für die Grünen, einem Tag, an dem sich die Partei in der Hauptstadt intensiv über ihre Zukunft und ihre Führungsfiguren Gedanken machte, da war sie schon nicht mehr dabei. Mit der Ankündigung von Krista Sager, im kommenden Jahr nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren, geht allmählich eine große grüne Karriere zu Ende. Zweite Bürgermeisterin Hamburgs, Wissenschaftssenatorin, Grünen-Parteichefin, Fraktionsvorsitzende im Bundestag - Sager blickt auf eine lange Karriere auf Bundes- und Landesebene zurück. Mit Blick auf 2013 will sie nun der ehemaligen Umweltsenatorin Anja Hajduk den Einzug in den Bundestag ermöglichen. "Seit dem Ende des schwarz-grünen Senats in Hamburg war klar, dass es sie in den Bundestag zurückzieht", sagte Sager über Hajduk.

Sie wolle mit ihrem eigenen Rückzug eine Kampfkandidatur vermeiden, bei der es aus ihrer Sicht nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung gegangen wäre, sondern um eine persönliche. Sie selbst werde im nächsten Jahr 60 Jahre alt, Hajduk sei zehn Jahre jünger. "Der Altersunterschied wäre ein Thema gewesen. Auch wenn es niemand offen aussprechen würde, so spielt es in den Köpfen der Leute doch eine Rolle." Die drohende Auseinandersetzung um den Listenplatz eins hätte den Grünen in Hamburg geschadet, die sich nun darauf konzentrieren müssten, sich gegen die SPD-Alleinregierung zu profilieren. Sager bezeichnete Hajduk als "eine Freundin", mit der sie in Berlin zusammengewohnt habe. Und: "Anja Hajduk gehört in den Bundestag."

Beim Länderrat in Berlin weigerte sich Sagers potenzielle Nachfolgerin im Bundestag, bereits Glückwünsche entgegenzunehmen. "Ich habe mich entschieden, zu kandidieren. Die Partei wird darüber diskutieren und entscheiden", sagte Hajduk dem Abendblatt. Sie wolle ihre Erfahrung und Überzeugung im Bundestag einbringen. Von 2002 bis 2008 gehörte die Bürgerschaftsabgeordnete bereits dem Bundestag an und kümmerte sich in der Fraktion um Haushaltspolitik, zuletzt als haushaltspolitische Sprecherin.

+++ Krista Sager verabschiedet sich aus dem Bundestag +++

Bei der Bundestagswahl 2009 hatten die Grünen 15,6 Prozent in Hamburg geholt, wodurch neben Sager auch Manuel Sarrazin aus Harburg der Einzug gelang. Der 30-jährige Europa-Experte will auch im kommenden Jahr auf dem Listenplatz zwei antreten. Dagegen stellte Grünen-Landesvorsitzende Katharina Fegebank klar, dass sie sich nicht um einen der vordersten Spitzenplätze bewerben werde. Auf sie komme ohnehin ein anderer "Kraftakt" zu, wie sie dem Abendblatt sagte. Die am Sonntag im Länderrat beschlossene Urwahl zur Bestimmung des Spitzen-Duos für den Bundestagswahlkampf wird die Landesverbände mit ihren rund 60 000 Mitgliedern fordern. Die Basisbefragung verlangt nach einer zügigen und fehlerlosen Organisation, möglichst alle Bewerber sollen sich im Norden vorstellen. Wer das Spitzenduo, dem laut Parteisatzung mindestens eine Frau angehören muss, am Ende bildet, soll am 10. November bekannt gegeben werden. Der Hamburger Landesverband hatte sich zuletzt kritisch über den Vorschlag der Parteiführung geäußert, doch während des Parteitreffens mit rund 80 Delegierten versuchten Fegebank und Sarrazin das Verfahren positiv zu sehen. Spannend werde der Herbst in jedem Fall, waren sie sich einig. "Die Urwahl kann für die eine oder andere Überraschung gut sein", so Fegebank.

Rund 100 000 Euro kostet der basisdemokratische Versuch, den die Delegierten mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschlossen. Während bis zum 16. September Bewerbungen entgegengenommen werden, sind die Mitglieder von Mitte bis Ende Oktober aufgerufen, abzustimmen.

Nur wie viele folgen dem Aufruf? Noch hat die Partei kein Gefühl dafür entwickelt, wie die Urwahl angenommen wird und welchen Eindruck der interne Machtkampf bei der Basis hinterlässt. Vier von den bisherigen sechs Bewerbern sind der Basis dabei hinlänglich bekannt: Parteichefin Claudia Roth, die Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin und Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt.

Von ihnen blieb Göring-Eckardt die Einzige, die beim Länderrat schwieg. Sie hätte ein größeres Spitzenteam klar besser gefunden als das nun zu erwartende Gerangel um die beiden Spitzenpositionen. Bis auf Trittin, der sich zuletzt in der Finanz- und Energiepolitik ein beachtliches Renommee erarbeiten konnte und deutlich staatsmännischer als seine Parteifreunde auftritt, konnte am Tag des Urwahl-Beschlusses kaum ein Favoriten-Duo erkannt werden. Scharfe Angriffe auf die schwarz-gelbe Regierung brachten neben Trittin auch Roth und Künast hervor. Nicht einmal der Applaus konnte als Gradmesser herhalten.

Wenn es aber stimmt, dass die Basis der Grünen durchaus linker tickt als die Funktionärsebene, hätte das Duo Trittin/Roth beste Chancen. Gleichzeitig genießt Künast als Vertreterin des Realo-Lagers eine große Popularität, auch wenn ihr Wahlkampf im vergangenen Jahr als Bürgermeister-Kandidatin bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl gründlich danebenging. Auch Göring-Eckardt wird zu den Realos gezählt. Die frühere Fraktionschefin im Bundestag hielt sich in den vergangenen Jahren aus vielen Debatten heraus, genießt aber eine hohe Wertschätzung in der Partei. Der 10. November verspricht ein überraschender Tag zu werden.