Der Streit um die Aufnahme von Guantánamo-Flüchtlingen ist weiter ungelöst. Die Bundesregierung und die EU reagierten gestern zurückhaltend auf die...

Berlin/Luxemburg. Der Streit um die Aufnahme von Guantanamo-Flüchtlingen ist weiter ungelöst. Die Bundesregierung und die EU reagierten gestern zurückhaltend auf die offizielle US-Anfrage zur Aufnahme von Häftlingen in Europa. Die US-Regierung hatte die Europäische Union am Freitag erstmals formell um eine Zusammenarbeit bei der bis 2010 geplanten Schließung des Gefangenenlagers auf Kuba gebeten. Der Bundesregierung liege aber weiter keine konkrete Anfrage vor, sagte ein Sprecher in Berlin.

Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief den Koalitionspartner CDU/CSU auf, die jahrelang geforderte Schließung von Guantanamo nicht an der Aufnahme-Frage scheitern zu lassen. Deutschland müsse "Verantwortung übernehmen", sagte Steinmeier nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) standen einer Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen bisher zurückhaltend bis ablehnend gegenüber.

Nach Vorstellung der SPD könnten von den gut 240 verbleibenden Guantanamo-Insassen eine Handvoll in die Bundesrepublik kommen. "Das werden keine großen Größenordnungen sein", sagte Steinmeier. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach von "drei, vier oder fünf" Insassen. "Die Bundesrepublik Deutschland sollte aus humanitären Gründen hier klar Flagge zeigen", sagte Wiefelspütz im Deutschlandradio.

Scharfe Kritik übte Wiefelspütz an der Haltung Merkels und Schäubles. "Diese kleinkarierte Nörgelei oder diese gequälten Diskussionsbeiträge von Herrn Schäuble und auch von Frau Merkel finde ich peinlich", sagte er. Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte: "Jetzt muss Kanzlerin Merkel beweisen, wie wichtig ihr die Menschenrechte und die transatlantische Partnerschaft sind."

EU-Innenkommissar Jacques Barrot sagte in Luxemburg, die Mitgliedsländer wollten erst "bei einem der nächsten Innenministerräte" Bilanz ziehen, wie viele Menschen jedes Land aufzunehmen bereit sei. Demnach dürfte erst im Sommer feststehen, wie viele der Häftlinge in Europa unterkommen. Die US-Regierung will ihre Verhandlungen mit den aufnahmewilligen Mitgliedstaaten bis Ende Juni abschließen. Menschenrechtsorganisationen fordern die Aufnahme von 60 Guantanamo-Insassen.