CDU wählt im Dezember neue Spitze. Gerangelt wird um Merkels Stellvertreter und um Einfluss im Präsidium. Bundestagswahl macht nervös.

Berlin. Der Bundesparteitag in Hannover liegt noch in weiter Ferne. Erst Anfang Dezember will sich die CDU treffen, um ihr neues Spitzenpersonal zu wählen. Es gibt also noch genug Zeit für die Partei Angela Merkels, in Hektik zu verfallen. Manche Landesverbände sehen dies offensichtlich anders. Einige rangeln um Macht und Einfluss auf die Bundespartei, andere wollen schnell noch das CDU-Profil um einen neuen Konservatismus erweitern. Die Unruhe ist gut begründet: Die Bundestagswahl rückt näher.

Ein Teil der Unruhe beruht auf der Tatsache, dass sich die Riege der vier Stellvertreter der Bundesvorsitzenden neu formieren muss. Obwohl noch dreieinhalb Monate der Nominierungs- und Entscheidungsfindung vor der Partei liegen, stehen die Kandidaten in den Startlöchern und buhlen um Zustimmung. Seit klar ist, dass der nordrhein-westfälische Wahlverlierer Norbert Röttgen sein Vize-Amt aufgibt und der NRW-Landesvorsitzende Armin Laschet ihn beerben will, streitet die Partei vor allem über den frei werdenden Posten von Bildungsministerin Annette Schavan. Ihr Landesverband Baden-Württemberg erhebt erneut den Anspruch auf die prominente Position. Aussichtsreichster Kandidat wäre der Bundestagsabgeordnete und CDU-Landeschef Thomas Strobl. Dessen Unterstützerkreis wird in diesen Tagen größer und lauter. Strobl geht es darum, Julia Klöckner zu verhindern.

Die Landesvorsitzende und Oppositionsführerin in Rheinland-Pfalz gilt als eine der großen Hoffnungen der Partei und soll mit ihren 39 Jahren allmählich in die erste Reihe der CDU aufsteigen. Es läuft auf ein südwest-internes Duell hinaus. Es sei denn, Merkel mischt sich noch ein, um eine Kampfkandidatur zu verhindern. Doch wer Merkels Favorit ist, lässt sich schwer erahnen. Beide Aspiranten wollen in den kommenden Jahren zu Ministerpräsidenten aufsteigen. Beiden könnte ein parteiinterner Dämpfer schaden.

Hamburgs Landeschef Marcus Weinberg weiß bereits, wessen Kandidatur er unterstützt: "Julia Klöckner wäre eine gute Wahl als stellvertretende Parteivorsitzende. Sie genießt als erfolgreiche Politikerin und talentierte junge Frau eine große Akzeptanz weit über ihre Landesgrenze hinaus", sagte Weinberg dem Abendblatt. Er hält es für richtig, dass der Südwesten in Form eines Vize-Postens in der CDU vertreten sein sollte. "Aber Julia Klöckner kann den gesamten Südwesten repräsentieren, also auch die Belange Baden-Württembergs. Die Landesverbände sollten hier nicht gegeneinander arbeiten", warnte er.

Klöckner und Merkel können gut miteinander - so viel ist bekannt. Gleichzeitig darf die Parteichefin den mächtigen Strobl-Verband so nah an der Bundestagswahl nicht verärgern. Denn ohne den Rückhalt und ein starkes Ergebnis in Baden-Württemberg kann Merkel die Wahl kaum gewinnen. Widerstandslos scheinen Gremien und Basis wenigstens die erneuten Kandidaturen von Hessens Regierungschef Volker Bouffier und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen als Vize-Vorsitzende der CDU hinzunehmen.

Eine Ebene darunter droht allerdings das nächste Gerangel. Auch wer im 16-köpfigen Präsidium der Partei sitzt, gehört zum engsten Zirkel der Macht. Man möchte meinen, jene Macht werde auch nach regionalen Gesichtspunkten verteilt. Ein Trugschluss. Der Norden ist im Präsidium kaum repräsentiert. Außer von der Leyen und Staatsminister Eckart von Klaeden aus Niedersachsen befindet sich kein weiterer von einem Parteitag gewählter Nordpolitiker in der erweiterten CDU-Spitze. Kraft seines Amtes ist nur noch der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister offiziell "beratendes Mitglied" des Präsidiums. Als solches darf er an den Sitzungen teilnehmen.

Bis zum Frühjahr galt dies auch für Peter Harry Carstensen. Aber nach dessen Rückzug vom Amt des schleswig-holsteinischen Regierungschefs und dem Wahlsieg Torsten Albigs (SPD) sitzt kein Schleswig-Holsteiner mehr im Führungsgremium der CDU.

Hamburg verlor seinen Stuhl am Tisch der Parteiführung bereits im März 2011, als SPD-Vize Olaf Scholz Bürgermeister Christoph Ahlhaus schlug. Davor hatte Ole von Beust neun Jahre lang die Hamburger Sicht auf die CDU in Berlin vertreten und mit dazu beigetragen, dass die Partei auch in Großstädten an Profil gewann. Inzwischen hat der Norden im Präsidium kaum noch etwas zu sagen: Weder Hamburg noch Schleswig-Holstein, noch Bremen, noch Mecklenburg-Vorpommern entsenden eigene Köpfe ins Spitzengremium. Erst auf der breiten Vorstandsebene mit ihren weiteren 42 Mitgliedern (auch hier sind mehrere mit "beratender" Funktion ausgestattet) lassen sich ein paar wenige Politiker aus dem Norden finden. Zu ihnen gehören kraft ihrer Ämter die CDU-Landesvorsitzenden - und damit auch Weinberg als einziger Hamburger.

Das ist zu wenig, findet er. Zwar sei Angela Merkel eine Norddeutsche, aber mehr noch Bundesvorsitzende, sagte Weinberg. "Gefragt ist aus dem Norden eine Person, die speziell norddeutsche Themen wie die Umsetzung der Energiewende oder maritime Fragen im Blick hat." Der Hamburger Landeschef will, dass sich die Nordländer (ohne Niedersachsen) auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Präsidium einigen. Und er fordert, die Rolle der Großstadt-CDU im Präsidium stärker zu verankern. In Anbetracht der Wahlergebnisse der CDU in Großstädten und den Herausforderungen brauche das Präsidium neue Impulse und ein neues Denken in dieser Hinsicht, so seine Begründung. "Ich würde mich freuen, wenn ein Vertreter einer Metropole im Dezember ins Präsidium einziehen könnte." Er selbst dränge sich nicht ins Präsidium. "Ich bin Mitglied des CDU-Bundesvorstands und möchte dies bleiben." An Weinbergs Forderung lässt sich ablesen, wie sehr die Aufstellung des Präsidiums Aufschluss über inhaltliche Schwerpunkte gibt.

Nicht nur ein Großstadt-Vertreter, auch ein erkennbarer Vertreter des Konservatismus fehlt in dem Gremium. Einzig Ministerpräsident Bouffier und der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, gelten im Präsidium als mögliche Identifikationsfiguren für all diejenigen, denen sich die CDU zu sehr den Positionen der SPD angenähert hat.

Aber Bouffier und Mißfelder allein reichen ihnen nicht. Eigentlich wollte eine Gruppe von Konservativen in der CDU namens "Berliner Kreis" an diesem Freitag ihr Manifest vorstellen. Dass es dazu nicht kommt, weil noch zu viele Mitglieder der Gruppe im Urlaub sind und das Grundsatzprogramm schlicht nicht fertig wird, lässt an der Ernsthaftigkeit des Unterfangens zweifeln. Allein Merkel dürfte sich über die Pleite der Konservativen freuen, musste die Kanzlerin doch seit jeher als Zielscheibe des konservativen Frusts in der Union herhalten. Die Schärfung des konservativen Profils lässt nun noch einige Wochen auf sich warten. Der Kreis um Wortführer Christean Wagner, Fraktionschef im hessischen Landtag, will einen zweiten Versuch starten.