„Der Aufsichtsrat muss endlich Licht ins Dunkel bringen“, forderte Künast. Sie fügte hinzu: „Wenn er das nicht kann oder nicht will, dann werden wir auch auf parlamentarischem Weg auf die dringend nötige Aufklärung dringen.“

Berlin/Schönefeld. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, will zur Aufklärung der Pannenserie beim Bau des Großflughafens Berlin-Brandenburg notfalls den Bundestag einschalten. „Der Aufsichtsrat muss endlich Licht ins Dunkel bringen“, forderte Künast. Sie fügte hinzu: „Wenn er das nicht kann oder nicht will, dann werden wir auch auf parlamentarischem Weg auf die dringend nötige Aufklärung dringen.“

Künast sagte weiter, sie erwarte vom Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, dass dieser „endlich mit der Wahrheit ans Licht kommt, ob der 17. März gehalten werden kann und wann welche Mängel bekannt waren“. Ihre Fraktion wolle zudem „wissen, ob die jetzt bekannt gewordene Mängelliste wissentlich vertuscht wurde“. Künast betonte: „Wir Grünen sind nicht länger bereit, uns eine derartige Groteske vorführen zu lassen.“

Dagegen verteidigt Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) die Arbeit des Kontrollgremiums. Der Aufsichtsrat hatte am Donnerstagvormittag mit einer halben Stunde Verspätung und streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit seine Sitzung begonnen. Dabei geht es um den Eröffnungstermin, die Finanzierung des Flughafens und den Lärmschutz. Der ursprünglich geplante Eröffnungstermin Anfang Juni hatte unter anderem aufgrund von Problemen mit der Brandschutzanlage nicht gehalten werden können. Nun steht offenbar auch der neue Termin am 17. März 2013 infrage.

Platzeck, der selbst Aufsichtsratsmitglied ist, bestätigte in der „Lausitzer Rundschau“ indirekt, dass bei der Aufsichtsratssitzung noch keine Entscheidung darüber fallen werde, ob am zuletzt geplanten Eröffnungstermin festgehalten wird. Der neue Technikchef Horst Amann prüfe das noch.

"Licht ins Dunkel bringen“

Künast forderte im dapd-Interview: „Der Aufsichtsrat muss endlich Licht ins Dunkel bringen.“ Sie fügte hinzu: „Wenn er das nicht kann oder nicht will, dann werden wir auch auf parlamentarischem Weg auf die dringend nötige Aufklärung dringen.“ Der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), sieht den Bund in der Pflicht, das Großprojekt zu beaufsichtigen, wie er dem Bayerischen Rundfunk sagte.

Platzeck wehrte sich gegen Vorwürfe, wonach der Aufsichtsrat sich Versäumnisse hat zuschulden kommen lassen. Das Gremium sei seinen Pflichten nachgekommen, betonte er. Rückblickend wäre es allerdings gut beraten gewesen, noch misstrauischer zu sein, räumte er ein.

Der Berliner FDP-Vorsitzende Martin Lindner verlangte derweil einen Rückzug von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Aufsichtsratschef und eine Führungsrolle des Bundes in dem Gremium. Wowereit solle wegen der Fehler beim Bau des Flughafens Platz für Profis machen, sagte Lindner der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Ich würde es für falsch halten, wenn Herr Wowereit als Aufsichtsratsvorsitzender zurücktreten würde“, widersprach der Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer, im Deutschlandfunk. Viel mehr sieht er Flughafenchef Rainer Schwarz in der Verantwortung. Das Vertrauen der Wirtschaft in Schwarz sei „tief erschüttert und kaum mehr vorhanden“.

Wirtschaftsstandort gefährdet

Unterdessen mehren sich die Stimmen, die durch das Flughafendebakel den Wirtschaftsstandort Berlin-Brandenburg gefährdet sehen. Der Regionalvorsitzende des Verbandes der Familienunternehmer, Stefan Schröter, sagte: „Ein weiterer Aufschub der Eröffnung ist nicht nur äußerst peinlich für die deutsche Hauptstadt, sondern ein Desaster für den Wirtschaftsstandort Berlin.“ Zudem sei die Finanzlücke beim Flughafenbau von 1,17 Milliarden Euro eine „erhebliche Mehrbelastung für die Steuerzahler“.

Der Verband der Fluggesellschaften BARIG kritisierte: „Unsere Mitgliedsfirmen kommen mit dieser Situation überhaupt nicht zurecht.“ Komplexe Abläufe und Personalplanungen müssten wegen der Verschiebung des Eröffnungstermins ständig geändert werden, sagte Generalsekretär Michael Hoppe dem Hessischen Rundfunk. Die Gewerkschaft ver.di forderte Planungssicherheit für den Einzelhandel auf dem Flughafengelände.

Auch Platzeck sagte, der Flughafen müsse so schnell wie möglich fertig werden. Bei Verzögerungen fehlten der Flughafengesellschaft jeden Monat Einnahmen in Höhe von 15 Millionen Euro. Der Ministerpräsident bekräftigte: „Der Flughafen wird nicht Insolvenz anmelden. Er hat drei potente Gesellschafter.“ Anteilseigner sind der Bund sowie die Länder Brandenburg und Berlin. Allerdings hatten FDP-Spitzenpolitiker einer Übernahme zusätzlicher Kosten durch den Bund bereits eine Absage erteilt.

Der steinige Weg zum Hauptstadtflughafen

Dezember 1991: Gründung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg.

Januar 1992: Beginn der Planungen für den Flughafen mit dem Projektnamen Berlin Brandenburg International, BBI.

Juni 1996: Der Ausbau des Flughafens Schönefeld sowie die Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof werden beschlossen.

August 2004: Das Genehmigungsverfahren für den BBI wird mit dem Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen. April 2005: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhängt im Eilverfahren einen weitgehenden Baustopp. Bis zum Urteil sind nur Bauvorbereitungen gestattet.

März 2006: Das Gericht genehmigt in letzter Instanz den Bau des BBI unter verschärften Lärmschutzauflagen.

Juli 2008: Erster Spatenstich für das Flughafen-Terminal. Oktober 2008: Nach 85 Jahren schließt der Flughafen Tempelhof.

Oktober 2009: Das Brandenburger Verkehrsministerium erlässt eine neue Nachtflugregelung: Keine Starts und Landungen von Mitternacht bis 5.00 Uhr, Ausnahme Post- und Regierungsmaschinen, Notfälle. In den Randzeiten davor und danach ist die Zahl begrenzt.

Juni 2010: Unter anderem wegen der Pleite einer Planungsfirma wird die Eröffnung von November 2011 auf den 3. Juni 2012 verschoben.

September 2010: Die Deutsche Flugsicherung legt einen ersten Flugrouten-Vorschlag vor. Tausende Betroffene gehen dagegen auf die Straße. Es gibt neue Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss.

Oktober 2011: Das Bundesverwaltungsgericht gibt grünes Licht für nächtliche Flüge in den Randzeiten. Der Airport kann ohne weitere Einschränkungen an den Start gehen.

Januar 2012: Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung legt die Flugrouten fest und folgt im wesentlichen einem Vorschlag der Fluglärmkommission aus Gemeinde- und Airline-Vertretern.

Mai 2012: Vier Wochen vor dem Termin wird wegen Problemen mit der Brandschutzanlage die Eröffnung des Flughafens erneut abgesagt. Später wird Chef-Planer Manfred Körtgen entlassen. Juni 2012: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg spricht den Anwohnern das Recht auf besseren Schallschutz zu.

22. Juni 2012: Der Aufsichtsrat entscheidet, den neuen Starttermin 17. März erneut zu überprüfen und am 16. August darüber zu entscheiden.

31. Juli 2012: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weist die Klage von Anwohnern ab, das Genehmigungsverfahren für den neuen Hauptstadtflughafen neu aufzurollen. Jetzt steht der Eröffnung des Airports zumindest juristisch nichts mehr im Weg.

16. August 2012: Sitzung des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft. Es wird erwartet, dass ein Konzept zur Finanzierung der Mehrkosten von 1,17 Milliarden Euro vorgelegt wird. Außerdem steht der für 17. März 2013 geplante Eröffnungstermin zur Disposition.

Mit Material von dapd und dpa