Gesundheitsminister Bahr fordert Aufklärung und mehr Kontrollen der Kliniken. Behörden offenbar schon 2006 über Verstoß informiert.

Regensburg. Im Organspendeskandal am Universitätsklinikum Regensburg sind die bayerischen Behörden offenbar schon 2006 über einen Verstoß informiert worden. Wie das NDR-Politikmagazin „Panorama 3“ am Sonnabend mitteilte, wurde mehreren bayerischen Ministerien damals ein bislang unveröffentlichter Bericht der Prüfungskommission der Bundesärztekammer zugestellt. Dieser blieb aber offenbar ohne Konsequenzen.

+++ Regensburger Vorfälle erreichen den Landtag +++

Den Angaben zufolge hatten der chirurgische Direktor und ein Oberarzt der Klinik im Jahr 2005 eine Leber in Jordanien transplantiert. Die Ärzte sollen das Organ über „Eurotransplant“ erhalten und dabei falsche Angaben gemacht haben. Demnach wurde der Vermittlungsstelle mitgeteilt, die betroffene Patientin liege in der Klinik in Regensburg. Erst wenige Stunden vor der Operation sei dies richtig gestellt worden.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat zu einem Krisentreffen am 27. August eingeladen. Bahr sagte: "Wir dürfen nicht zulassen, dass durch die Vorfälle an den Transplantationszentren in Göttingen und Regensburg das Vertrauen in die Organspende Schaden nimmt. Die Vorfälle erschüttern mich zutiefst." Bahr betonte, sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre dies gesetzeswidrig und "ethisch in höchstem Maße verwerflich". In den bekannt gewordenen Fällen sollen Spenderorgane nicht nach medizinischer Notwendigkeit und Dringlichkeit vergeben worden sein. Dabei sollen die mutmaßlichen Täter Laborwerte manipuliert haben.

Bahr sagte: "Ich erwarte, dass hier die betroffenen Transplantationszentren die Kommissionen bei der lückenlosen Aufklärung des Geschehens unterstützen. Die staatlichen Aufsichtsbehörden beider Länder müssen aus den Berichten der Kommissionen Konsequenzen ziehen." Am 27. August sollen Vertreter der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Stiftung Organtransplantation, von Eurotransplant und Bundesärztekammer dabei sein.

Auch der Chef der DAK Gesundheit, Herbert Rebscher, hatte einen runden Tisch gefordert. Rebscher sagte, dass die gesetzlichen Krankenkassen ohnehin von November an ihre Versicherten ab 16 Jahren anschreiben müssen, um für einen Organspendeausweis zu werben. Wenn die Menschen bei Erhalt dieses Briefes zuerst an einen Skandal dächten, sei dies kontraproduktiv. Eine Forsa-Umfrage aus dem März habe ergeben, dass 70 Prozent der Bevölkerung grundsätzlich zur Organspende bereit seien. Bei vielen Befragten sei das Thema aber gleichzeitig mit Befürchtungen verbunden.

Unterdessen geht die Staatsanwaltschaft in Regensburg weiter davon aus, dass die mutmaßlichen Datenfälschungen auf das Konto eines Einzeltäters gehen. Der ehemalige Oberarzt am Uniklinikum Regensburg wird verdächtigt, dort von 2004 bis 2006 mindestens 23 Patientenakten manipuliert zu haben, um Patienten bevorzugt zu einer Lebertransplantation zu verhelfen. Der Mediziner wechselte 2008 an das Uniklinikum nach Göttingen, wo er auch Daten von Aspiranten für eine Lebertransplantation gefälscht haben soll. Er ist dort mittlerweile suspendiert.

Sein ehemaliger Vorgesetzter in Regensburg ist inzwischen beurlaubt, weil er möglicherweise seiner Kontrollpflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, die Zahl der Lebertransplantationen in Regensburg sei auch nach dem Weggang des Arztes weiter angestiegen: von 48 Transplantationen 2008 auf 69 im Jahr 2009. Eine solche Steigerung gelte als ungewöhnlich, zumal selbst die größten deutschen Transplantationszentren nur rund 100 Lebern pro Jahr verpflanzten. Die Staatsanwaltschaft erklärte, ihr lägen diese Informationen bislang nicht vor.

Mit Material von dapd