Am Kabinettstisch konzentrieren sich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier weiter auf die Sacharbeit. Gestern stand die Schweinegrippe auf der Agenda.

Berlin. Die Bundeskanzlerin tritt morgen in Binz auf, der Außenminister am Sonnabend in Dortmund. Auf Rügen und in Westfalen könnte man also feststellen, dass sich Deutschland im Bundestagswahlkampf befindet. In Berlin zündet dieser Wahlkampf jedenfalls noch nicht. Und wenn da nicht die sogenannte Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt wäre, mit der sich die SPD so verzweifelt herumschlägt, könnte man meinen, man hätte es mit einem ganz normalen Sommerloch zu tun.

Ein Prozent der Deutschen hält den Bundestagswahlkampf 2009 für "sehr interessant und spannend" - 48 Prozent der Deutschen wissen nicht einmal, dass diese Wahl in 38 Tagen stattfindet! Vermutlich zündet der Wahlkampf schon deshalb nicht, weil sich die Kontrahenten zu ähnlich sind: Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier haben beide gute Manieren und eine natürliche Beißhemmung. Was auf den Wähler im Normalfall sehr angenehm wirkt, die Unterscheidung des Ernstfalls vom Normalfall aber schwierig macht. Das war zu Kohl- und Schröder-Zeiten deutlich anders, da war man dann doch schon mal auf Krawall gebürstet.

Dieser Bundestagswahlkampf ist ein langer, ruhiger Fluss. Gestern war Mittwoch, also sind sich Merkel und Steinmeier im Kabinett begegnet. Der Umgangston war gepflegt, die Sitzung stand ganz im Zeichen der Sachentscheidungen. Man verständigte sich auf die Details für die bevorstehende Massenimpfung gegen die Schweinegrippe. Jeder Versicherte wird demnach Anspruch auf kostenlose Impfung haben, die Beschäftigten von Gesundheits- und Sicherheitsdiensten sowie Schwangere und Risikogruppen von Menschen mit Asthma, Diabetes, Herz-KreislaufErkrankungen, Fettleibigkeit oder HIV sollen vorrangig geimpft werden. Bundesgesundheitsministerin Schmidt erläuterte später, dass die ersten der 50 Millionen Dosen, die beim Hersteller GlaxoSmithKline geordert wurden, Ende September, Anfang Oktober zur Verfügung stehen werden.

Da für den vollen Impfschutz zwei Spritzen notwendig seien, reiche die Bestellung für 25 Millionen Bürger aus. Die Kosten pro Doppelspritze betrage nach Schätzungen der Bundesregierung 28 Euro. Insgesamt will Deutschland für 80 Prozent der Bevölkerung Impfstoffvorräte anlegen. Die Kassen sind bereit, die Kosten bis zu einer Milliarde Euro zu tragen. Sollten sich aber tatsächlich mehr als 50 Prozent der Bürger impfen lassen, werden Bund und Länder für den Rest aufkommen. Wie sie sich die Summe dann aufteilen, ist der Ministerin nach eigenem Bekunden gleichgültig. "Für mich", meinte Ulla Schmidt gestern munter, "ist nur wichtig, dass das Geld kommt!" Danach musste sie "ganz, ganz schnell weg". Was ihr erst einmal neue Fragen zum Umgang mit ihrem Dienstwagen ersparte. Die werden dann allerdings am kommenden Mittwoch im Haushaltsausschuss auf den Tisch kommen.

Bleibt nachzutragen, dass das Bundeskabinett gestern auch noch eine Mindestlohn-Kommission unter der Leitung des früheren Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi, SPD, eingesetzt hat, die in der nächsten Legislatur Vorschläge für Lohnuntergrenzen machen soll. Beschlossen wurde auch ein "Nationaler Entwicklungsplan Elektromobilität", der die Markteinführung der ersten 100 000 E-Fahrzeuge über Zuschüsse für die Käufer stützen soll.

Danach ging man freundlich lächelnd auseinander. Wie schon gesagt: Dieser Bundestagswahlkampf ist ein langer, ruhiger Fluss.