An ihrem 55. Geburtstag demonstrierten die Kanzlerin und der Chef der Christsozialen Geschlossenheit. Ganz ohne Gemeinheiten konnten sie dennoch nicht.

Nürnberg. Was würde er der Bundeskanzlerin zum 55. Geburtstag schenken? Wie ein Staatsgeheimnis hatte Horst Seehofer diese Frage behandelt. "Humor und Hintersinn" hatte er nur versprochen. Er sollte Recht behalten. Als der CSU-Chef ein Buch über die Geschichte Bayerns und dazu noch ein kleines bayerisch-deutsches Wörterbuch an Angela Merkel überreichte, sagte er fast schon entschuldigend: "Ich kann mir vorstellen, dass Du uns und mich nicht jeden Tag verstehst."

Aus reinem Zufall habe er beim Blättern des Wörterbuchs zuerst den Eintrag "Fingerhakeln" aufgeschlagen. Das sei eine bayerische Kampfsportart, die immer ohne Verletzungen ausgehe, sagte Seehofer. Es war das offizielle Friedensangebot an die Kanzlerin und CDU-Chefin - und sie nahm es an.

In ihrer Rede beim CSU-Wahlparteitag in der Nürnberg Messe hatte sie es zuvor gänzlich vermieden, auf den Streit um EU-Kompetenzen einzugehen. Und doch hatte sie kleine Gemeinheiten eingebaut. "Ihr könnt ruhig auch besser werden. Das nützt uns allen", sagte Merkel. Dabei blieb es nicht: Sie dankte zuerst CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und seiner Fraktion, nach einer Viertelstunde dankte sie ihren Kabinettskollegen Karl-Theodor zu Guttenberg und Ilse Aigner. Auf Horst Seehofer kam sie ganz zum Schluss ihrer gut halbstündigen Rede zu sprechen und fauchte ihn, natürlich lächelnd, an: "Wenn Horst Seehofer sagt: 'Die CSU hat wieder Biss', dann sage ich: Das ist schön. Beißt die Richtigen, und dann wird's gut."

Damit hatte sie das Eis gebrochen, und zum ersten Mal jubelten ihr die 1000 Delegierten zu.

Auf die große Bühne, auf der Merkel sprach, hatte es Seehofer anfangs gar nicht gezogen. Er eröffnete das Parteitreffen in der Vorhalle inmitten der Aussteller. Von dort sagte er Merkel die vorbehaltlose Unterstützung seiner Partei im Bundestagswahlkampf zu. In der großen Halle hätten seine Worte mehr Eindruck hinterlassen, aber vielleicht wollte Seehofer das, was er zu verkünden hatte, lieber in einem wenig berauschenden Ambiente sagen. "Es wird ein Merkel-Wahlkampf werden", sagte er nämlich. "Sie ist die stärkste Persönlichkeit, die wir als Union haben." Sie sei "unser bestes Stück". Das war es an untertänigen Tönen. Er begrüßte noch "unseren Freund" Ronald Pofalla, den CDU-Generalsekretär. Dann sprach Seehofer nur noch über die CSU: "Wir lagen und liegen richtig." Die CSU sei zwar öfters unbequem, dies gehöre aber zu ihrer Tradition. Die Grenze zur Arroganz dürfe dabei natürlich nicht überschritten werden. "Am Ende wird alles gut. Aber ein bisschen Debatte darf doch auch sein." Er werde alles tun, damit Merkel Kanzlerin bleibe.

Ronald Pofalla, der wenige Meter neben der Bühne stand, musste sich nach Seehofers Worten fragen lassen, wie das denn gehe: Merkel als unangefochtene Spitzenkraft und daneben die CSU, die immer richtig liege. Pofalla sagte, alles was die CSU jetzt stark mache, sei gut für die Union bei der Wahl. Und gegen die "bayerischen Akzente" hätte er ja gar nichts. Große Mühe, die vielschichtige Uneinigkeit der Unionsparteien wegzureden, gab er sich nicht. Seehofer war da eh schon wieder verschwunden.

Er musste ja auch Parteiarbeit leisten. Seehofer will heute als CSU-Vorsitzender wieder gewählt werden. Das wird natürlich gelingen. Doch er selbst schloss nicht aus, bei der heutigen Abstimmung ein schlechteres Ergebnis zu erhalten als bei seiner Erstwahl 2008. Damals hatte er rund 90 Prozent der Stimmen bekommen. Nun habe er in den letzten Monaten "viel umgekrempelt, und Bewegung schafft immer Unruhe", sagte Seehofer. Er hat eines nicht vergessen: Die Partei liebt ihn nicht. Als 2007 das Duo Beckstein/Huber gekürt wurde, hatte er keine Chance. Der Partei ist zuzutrauen, dass sie heute - selbst im Wahlkampf, selbst bei der jetzigen Dominanz in den unionsinternen Debatten - ein kleines bisschen Rache an ihm übt.

Und ein bisschen wird sie aber auch wieder die Schwester CDU ärgern, wenn sie den CSU-Wahlaufruf verabschiedet. Darin sind all die Forderungen aufgenommen, die Seehofer wegen des Widerstands der CDU nicht im gemeinsamen Wahlprogramm unterbringen konnte. So verlangt die CSU Steuersenkungen in zwei Schritten ab 2011, während die CDU und Merkel sich bekanntlich nicht auf ein konkretes Datum festlegen wollen.

Auch beim Wahlziel hat Seehofer mal wieder das Tempo vorgegeben. Kurz vor dem Parteitag sagte der CSU-Chef dem Münchner Merkur, welches Ergebnis er sich für den 27. September vorgenommen habe. Bei der letzten Bundestagswahl 2005 habe die CSU 49,2 Prozent erreicht, "das sollte wieder drin sein", sagte Seehofer. Welches Wahlziel würde also Merkel in Nürnberg aussprechen? Das Thema vermied sie ganz.

Sie hielt es auch nicht lang nach ihrer Rede bei der CSU. Beim Delegiertenabend sollte sowieso Seehofer wieder im Mittelpunkt stehen. Auf dem Programm stand die Feier seines 60. Geburtstags, auch wenn der schon zwei Wochen zurück liegt. Aber nun mussten seine Parteifreunde ihn noch einmal hochleben lassen - ausgerechnet am Ehrentag Merkels. CSU-Chefs sind eben ein wenig eigensinnig.