Die Krankenkassen haben möglicherweise jahrelang falsch gerechnet. Millionen Familien haben höhere Freibeträge bei der Zuzahlung für die Gesundheit.

Kassel. Ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichtes (BSG) lässt Millionen Familien aufatmen: Eltern können bei den Zuzahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung höhere Freibeträge geltend machen. Das Bundessozialgericht erklärte in einem Urteil die bisher gängige Praxis der Krankenkassen für rechtswidrig. Jetzt können sich Eltern bei der Berechnung der Belastungsgrenze für die Zuzahlungen nicht nur einen Kinderfreibetrag, sondern auch einen Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung anrechnen lassen (Aktenzeichen: B 1 KR 17/08 R).

Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass man sich von Zuzahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung befreien lassen kann, wenn diese zwei Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens überschreiten. Bei chronisch Kranken liegt die Grenze bei einem Prozent. Bei der Zuzahlungsberechnung können Freibeträge für Kinder geltend gemacht werden.

In dem verhandelten Rechtsstreit hatte der Kläger aus Bremen, ein Vater von zwei Kindern, im Jahr 2004 442,62 Euro an Zuzahlungen geleistet. Die Techniker Krankenkasse berücksichtigte bei der Berechnung der Belastungsgrenze des Klägers nicht nur die chronische Erkrankung der Ehefrau, sondern auch einen Kinderfreibetrag in Höhe von 3648 Euro je Kind. Der Vater wollte jedoch einen Freibetrag in Höhe von 5808 Euro je Kind. Denn ihm stehe nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur der Kinderfreibetrag sondern auch ein Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung zu.

Dem stimmte der Erste Senat zu. Es gebe pro Kind einen Kinderfreibetrag in Höhe von 1824 Euro sowie einen Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 1080 Euro. Bei steuerlich zusammen veranlagten Ehepaaren ist der Freibetrag pro Kind zu verdoppeln, erklärte das Gericht.

Mit dem Urteil hat das BSG eine jahrelange falsche Berechnung der Krankenkassen gekippt. Gesetzlich Versicherte mit Kindern können unter Umständen von ihrer Krankenkasse einen Erstattungsbetrag für ihre Zuzahlungen bis zu vier Jahre rückwirkend geltend machen. Dazu muss ein Überprüfungsantrag bei der Krankenkasse gestellt werden.