CDU und CSU präsentierten auf einem Kongress das gemeinsame Wahlprogramm. Die Geschlossenheit der Schwesterparteien war das oberste Gebot.

Berlin. Die Kanzlerin auf dem Podium in der Mitte thronend, ein wie verwandelt wirkender handzahmer CSU-Vorsitzender und ein kleinlauter Günther Oettinger, der mit Minimal-Applaus bestraft wurde: Die Zutaten des Kongresses, mit dem die CDU als letzte der im Bundestag vertretenen Parteien in die heiße Phase des Wahlkampfs gestartet ist, dürften ganz nach den Vorstellungen von Angela Merkel gewesen sein.

Erstmals nach diesem turbulent verlaufenen Wochenende waren die Reihen der Union - zumindest für die Öffentlichkeit - wieder fest geschlossen. Die leidige Debatte um Steuererhöhungen, von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Oettinger und seinem sachsen-anhaltinischen Amtskollegen Wolfgang Böhmer mit entsprechenden Vorschlägen befeuert, war kein Thema mehr. "Wir haben jetzt genug gedacht", verordnete Merkel vor 700 Funktionsträgern nach dem monatelangen internen Ringen um die Ausformulierung des Wahlprogramms nun fast einen abrupten Debattenstopp. Auch wenn, wie sie zugestand, manchmal ein bisschen Querdenken ja auch nicht schlecht sei. Bestes Beispiel für die Richtigkeit dieser These war der Beifallssturm der Basis für Karl-Theodor zu Guttenberg, der im Berliner Congress Centrum am Alexanderplatz schließlich sogar in Richtung Podium zeigte, um seinen Anhängern zu bedeuten: Für die Kanzlerin müsst ihr klatschen, nicht für mich!

Doch auch Merkel konnte sich über mangelnden Applaus nicht beklagen. Die Anhängerschaft störte es augenscheinlich nicht, dass wesentliche offene Fragen des von der Union in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs gestellten Steuersenkungsversprechens nicht thematisiert wurden. Zum Beispiel, wie die Gegenfinanzierung für die geplante Senkung von 15 Milliarden Euro aussehen soll. Und wie sicher das Versprechen überhaupt ist, wenn kein genauer Zeitpunkt für die zwei geplanten Reformstufen genannt wird. Allerdings warb Merkel erneut eindringlich um Vertrauen. Die Union sage vor der Wahl, was sie nachher mache. Das habe sie 2005 bei der vorab angekündigten Erhöhung der Mehrwertsteuer bewiesen. Und das werde diesmal - wenn auch unter veränderten Vorzeichen - nicht anders sein. Die schwierige Finanzsituation des Staates dürfe in der Krise nicht dazu führen, die Hände in den Schoß zu legen. "Jetzt geht es um die Frage: Was schafft Wachstum?", sagte sie. Gerade in der Krise müssten deshalb diejenigen, die maßgeblich dazu beitrügen, dass das Land wieder aus der Talsohle herauskomme, motiviert werden. Das könne gelingen, wenn Lohnerhöhungen nicht auf dem Finanzamt landeten, sondern den Menschen direkt zugutekämen.

CSU-Chef Seehofer, der seit dem Einbruch seiner Partei in Bayern an vorderster Front dafür gekämpft hatte, dass Steuersenkungen im Wahlprogramm verankert werden, nahm sich demonstrativ zurück. Er sprach kürzer als geplant und wurde umjubelt, als er feststellte: "Wir brauchen keinen Kandidaten. Wir haben eine Kanzlerin."

Die spielte diesen Amtsbonus genüsslich aus, indem sie den Bogen weit über die weltpolitische Bühne spannte. Dort seien die Regeln für die künftige Weltwirtschaftsordnung zu verankern. Praktisch für den Wahlkampf, dass die internationalen Planungen es vorsehen, dass der nächste G20-Gipfel in den USA direkt vor den Wahltag fällt. So lassen sich die Bedeutung und das internationale Ansehen der deutschen Regierungschefin noch einmal unterstreichen.

Dennoch ist der Unionsführung offenbar klar, dass die Bundestagswahl trotz der guten Umfragewerte noch nicht gelaufen ist. Die Steuerdebatte scheint den Parteioberen vor Augen geführt zu haben, was alles schieflaufen kann. Und welch offene Flanken ein Wahlprogramm bietet, das an vielen Stellen nicht konkret formuliert ist, sondern im Ungefähren verharrt.

Kein Wunder, dass Merkel und Seehofer mahnten, ausschließlich für die Union zu kämpfen und die FDP nicht verfrüht als Partner zu sehen. "Die FDP schwankt zwischen allen Polen", sagte der CSU-Chef. Die Partei von Guido Westerwelle werde im Zweifel auch eine andere Koalition eingehen.

Und Günther Oettinger? Er äußerte sich auf dem Podium brav zu bildungspolitischen Themen. Und erklärte am Rande der Veranstaltung tapfer: "Ich bin Demokrat. Ich trage das Wahlprogramm mit."