Nach dem Umweltminister mahnt nun auch der Wirtschaftsminister Realismus bei der Energiewende an. Die Regierung sorgt sich um die Kosten.

Berlin. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler fordert Korrekturen bei der Energiewende, wenn die Strompreise zu stark steigen sollten. „Wir müssen nachsteuern, wenn Jobs und unsere Wettbewerbsfähigkeit bedroht sein sollten“, sagte der FDP-Vorsitzende der „Bild“-Zeitung. Die Bezahlbarkeit von Strom für Verbraucher und Unternehmen habe „oberste Priorität“. Er betonte zugleich: „Die Zeitachse und die Ziele für die Energiewende stehen.“ Die SPD und Verbände meinten, die Regierung versage bei der Energiewende.

Am Wochenende hatte bereits Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) erstmals Zweifel daran geäußert, dass sich alle Ziele der Energiewende erreichen lassen. Als Beispiel nannte er das Vorhaben, den Stromverbrauch bis zum Jahre 2020 um 10 Prozent zu senken. Altmaier betonte am Dienstag: „Ich habe seit ich Minister bin, mindestens 100 Mal erklärt, dass es meine Aufgabe ist, diese Energiewende zum Erfolg zu führen.“ Er zweifele keineswegs an dem Projekt, sondern habe nur frühzeitig darauf hinweisen wollen, dass bei der Senkung des Stromverbrauchs noch nachzusteuern ist.

„Die Energiewende muss selbstverständlich dazu führen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig gestärkt wird“, betonte Altmaier. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es, Minister Rösler bekenne sich ausdrücklich zur Energiewende. „Allerdings teilt er die Sorge vieler Unternehmen vor hohen Strompreisen, die die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden drohen“, hieß es. Entscheidendender Grund für den absehbaren Anstieg der Strompreise sei die übermäßige Förderung der erneuerbaren Energien. Daher sei Rösler für eine grundlegende Reform bei der Förderung. Allerdings hatte die Regierung erst vor einem Jahr eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auf den Weg gebracht, das Anfang 2012 in Kraft trat und vor kurzem bei der Solarförderung noch einmal nachjustiert worden ist.

Die Energiewende besteht insgesamt aus Dutzenden Einzelzielen, wovon zum Beispiel der Ausbau erneuerbarer Energien im Plan ist. Allerdings birgt deren rascher Ausbau auch Konfliktpotenzial: Am 15. Oktober wird die künftige Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien bekanntgegeben. Möglicherweise wird sie stark steigen. Die Umlage wird von den Verbrauchern über den Strompreis bezahlt. Allerdings ist der Strompreis in den vergangenen Jahren weit stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Die Versorger nähmen den Umlageanstieg oft als Vorwand für weitaus stärkere Erhöhungen als notwendig, lautet ein Kritikpunkt.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann warf den Ministern Versagen vor. „Diese Bundesregierung verfehlt Zeitplan und Ziele der Energiewende“, sagte er am Dienstag. Greenpeace-Energieexperte Tobias Austrup kritisierte, die Kosten würden durch eine ungleichmäßige Verteilung von der Regierung selbst getrieben. „Mangelnde Anstrengungen bei Energieeffizienz und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie sind die wahren Preistreiber. Hier hat Wirtschaftsminister Rösler seine Hausaufgaben nicht gemacht“, sagte Austrup.