CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe über die Lage der Partei in Hamburg, die Zukunft der Vätermonate und die deutsche Verletzlichkeit.

Berlin. Eigentlich geht es der CDU gut. In den Umfragen liegt sie stabil vorn. Und es sieht ganz danach aus, als ob die Union bei den Bundestagswahlen 2013 erneut stärkste Kraft werden wird. Doch auf Länderebene tut sich die Partei schwer - vor allem im Norden: Die Wahlniederlagen in Hamburg 2011 und in Schleswig-Holstein im Mai dieses Jahres haben die CDU hart getroffen. In Niedersachsen könnte im Januar 2013 das letzte CDU-geführte Nordland verloren gehen. Wie Generalsekretär Hermann Gröhe als Chefstratege der Partei die nächste Pleite verhindern will und warum Familienpolitik immer wichtiger wird, darüber sprach das Abendblatt mit ihm in seinem Büro im Berliner Konrad-Adenauer-Haus.

Hamburger Abendblatt: Herr Gröhe, sind Sie froh, dass Sie kein Familienpolitiker sind?

Hermann Gröhe: Ich bin begeisterterVater. Und ich bin froh, dass die Union die Familienpolitik ins Zentrum der politischen Debatte gerückt hat. Familienpolitik ist kein 'Gedöns' mehr wie bei Gerhard Schröder.

In Deutschland werden dennoch von Jahr zu Jahr immer weniger Kinder geboren - trotz politischer Geschenke für Familien.

Gröhe: Es geht um Gerechtigkeit fürFamilien, nicht um Geschenke. Wir wollen Eltern Rückenwind geben! Die Geburtenrate ist aber der falsche Maßstab. Dass weniger Kinder geboren werden, ist eine Folge der demografischen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, nicht unserer Familienpolitik. Die Familienpolitik darf auf keinen Fall zum Steinbruch für Sparmaßnahmen werden.

Warum ist Familienpolitik so schwierig für ein so starkes, reiches Land wie Deutschland?

Gröhe: Wir haben in DeutschlandDemografie zu spät als gesamtgesellschaftliche Herausforderung verstanden. Kinder zu bekommen wurde lange nur als höchstpersönliche Entscheidung betrachtet. So richtig das ist, so klar sind doch die gesellschaftlichen Folgen häufiger Kinderlosigkeit. Zu oft wird über die Einschränkungen durch Kinder gesprochen und nicht über das Lebensglück, das sie bedeuten.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder hält nicht viel vom Elterngeld. Wie sinnvoll ist die milliardenschwere Leistung noch?

Gröhe: Das Elterngeld ist eine ganz wichtige Unterstützung junger Mütter und Väter, an der wir festhalten. Eine überwältigende Mehrheit der Familien, die diese Leistung bekommen, empfindet diese als große Hilfe. Wir haben als Koalition vereinbart, dass wir bis zum nächsten Jahr alle familienpolitischen Maßnahmen überprüfen. Dabei kann es nicht um den Abbau familienpolitischer Leistungen gehen, sondern nur um deren bessere Ausgestaltung.

Hat das Elterngeld die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt?

Gröhe: Es ist ein großer Fortschritt, dass das Ja zu Kindern nicht durch finanzielle Ängste erschwert wird. Und die Vätermonate haben zu einem Umdenken in den Betrieben geführt. Es wird zunehmend zur Normalität, dass beide Elternteile - Mütter und Väter - für ihre Familie vorübergehend den Job aufgeben. Auch die Wirtschaft trägt Verantwortung für mehr Familienfreundlichkeit, trifft doch auch sie der Bevölkerungsrückgang massiv.

Die Koalition wollte die Vätermonateursprünglich ausweiten. Das Vorhaben liegt auf Eis.

Gröhe : Bei der Überprüfung der familienpolitischen Leistungen werden wir auch die Vätermonate unter die Lupe nehmen. Ich kann mir vorstellen, dass wir die Möglichkeiten insgesamt erweitern, darüber zu entscheiden, wannEltern ihre Babypause machen.

Vor anderthalb Jahren gab es drei CDU-geführte Länder im Norden. Jetzt ist nur noch Niedersachsen übrig. Was macht Ihre Partei im Norden falsch?

Gröhe: Wir sollten nicht alles über einen Kamm scheren. In Schleswig-Holstein ist die CDU stärkste Kraft geblieben, hier haben wir fast zwei Drittel der Wahlkreise direkt gewonnen - Herrn Albig war aber die Staatskanzlei wichtiger, also hat er sich für ein instabiles Dreierbündnis entschieden. Hamburg wiederum war für die CDU traditionell kein einfaches Pflaster. In beiden Landesverbänden arbeiten wir daran, dass die Zustimmung zur CDU wieder steigt. Da macht ein Blick nach Niedersachsen viel Mut. Hier haben wir mit David McAllister einen überaus erfolgreichen Ministerpräsidenten, für dessen Wiederwahl wir mit großer Zuversichtarbeiten.

Erkennen Sie gar keine Fehler der CDU im Norden?

Gröhe: Erkennbar war der Erfolg der schwarz-grünen Koalition in Hamburg eng mit der Person Ole von Beust verbunden. Auch die damalige Schulreform und der parteiinterne Streit darüber haben uns sehr getroffen.

Die CDU hat vor allem in Großstädten Probleme, auch in Hamburg. Mit welcher Strategie wollen Sie die Bürger der Hansestadt zurückerobern?

Gröhe: Die CDU muss als Volkspartei beides leisten: die Verankerung im ländlichen Raum und in den Großstädten. Auf dem Land sind wir traditionell stark, in den großen Städten tun wir uns schwerer. Verluste wie in Hamburg oder Frankfurt schmerzen, wir stellen aber die Oberbürgermeister in Dresden, Düsseldorf oder Stuttgart. Erfolgreich sind wir in Großstädten vor allem dort, wo starke Persönlichkeiten die in einer bunten Großstadtgesellschaft erforderliche Integrationskraft haben. Frank Henkel zeigt als beliebtester Politiker in Berlin, dass die CDU Großstadt kann.

Sehen Sie in der Hamburger CDU eine solche integrative Persönlichkeit, die das leisten könnte?

Gröhe : Die Hamburger CDU hat sich überzeugend neu aufgestellt. Marcus Weinberg und auch die Mannschaft in der Bürgerschaft setzen dabei auf eine starke Mitgliederbeteiligung. Das Hamburger Team ist auf einem guten Weg.

Braucht die CDU ein eigenes Großstadtprofil? Eine Gruppe von Großstadtparlamentariern sieht es so.

Gröhe: Die Initiative hat meine volle Unterstützung. In Sachen Großstadtkompetenz können wir an unsere Stärken in puncto Wirtschaft, Soziales und innere Sicherheit anknüpfen. Wir müssen aber in manchen gesellschaftlichen Bereichen auch unsere Präsenz verbessern.

Herr Gröhe, verstehen Sie noch die Euro-Krise?

Gröhe: Die Stabilisierung unserer Währung ist eine Riesenherausforderung für alle Beteiligten, auch intellektuell. Deshalb sind Gespräche, das ständige Abwägen von Für und Wider so wichtig. Allerdings verwundert es mich schon, wenn Volkswirte ihre Überzeugungen so vortragen, als lieferten sie geradezu mathematische Exaktheit. Bei näherem Hinsehen ist dies bei Weitem nicht so.

Der Bundespräsident hat die Kanzlerin ermahnt, die Rettungsmaßnahmen inder Krise besser zu erklären. Ein kluger Appell?

Gröhe: Der Bundespräsident hat vor allem seine Wertschätzung für die herausragende Arbeit Angela Merkels zum Ausdruck gebracht. Diese teilt er mit einer großen Mehrheit unserer Bevölkerung. Angesichts ständig neuer Entwicklungen ist es eine bleibende Aufgabe aller, die Politik zur Euro-Rettung immer wieder zu erklären und dafür zu werben. Angela Merkel kommt dieser Verantwortung in starker Weise nach.

Würde mehr direkte Demokratie helfen, um die Bürger besser einzubinden?

Gröhe: Eine Volksabstimmung wäreerforderlich, wenn wir umfassendHoheitsrechte auf die EU übertragen. Das steht jetzt nicht an. Wir sind mit unserer repräsentativen Demokratie bislang sehr gut gefahren. Und der Bundestag trifft ja bei einzelnen Hilfsmaßnahmen alle wichtigen Entscheidungen, auch im Hinblick auf die entsprechenden Bedingungen. Volksabstimmungen über einzelne Hilfsmaßnahmen wären völlig unpraktikabel.

Deutschland ist bisher relativ stabil durch die Krise gekommen. Wird das auch künftig so bleiben?

Gröhe: Es ist gut, dass Deutschland in den vergangenen Jahren seine Wirtschaftskraft nachhaltig gestärkt hat. Wie keine andere Volkswirtschaft in Europa sind wir aber mit anderen Staaten verwoben. Das macht uns auch verletzlich. Umso wichtiger ist es, dass wir unseren Konsolidierungs- und Wachstumskurs beibehalten.