Die Sommerpause im Bundestag ist keine wirkliche: Parlamentarier auf Abruf. Vier von 13 könnten Abstimmung über Euro-Hilfen aber verpassen.

Berlin. Allmählich wird es ruhig im Berliner Regierungsviertel. Nachdem das Plenum Ende vergangner Woche ein letztes Mal vor der Sommerpause zusammengekommen war, verabschiedeten sich in den vergangenen Tagen auch andere Bundestagsgremien in die Ferien. Offiziell will man sich erst wieder ab 10. September treffen. Aber dieser Sommer ist anders. Er steht im Zeichen der Euro-Krise. Und die Abgeordneten des Bundestags wissen, dass ihre Pause keine echte ist. Da der Bundestag Hilfen unter den Rettungsschirmen EFSF und ESM zustimmen muss, steht das Parlament jederzeit für eine Sondersitzung bereit.

"Also schwimmen Sie nicht zu weit raus und achten darauf, das Handgepäck immer griffbereit zu haben", hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) den Parlamentariern auf den Weg gegeben. Und die 13 Hamburger Bundestagsvertreter nehmen den Appell ernst: Sie versuchen, weite Reisen zu vermeiden. Und wenn es doch in die Ferne geht, halten sie die Reisen kurz. Sie müssten innerhalb von wenigen Stunden ihre Koffer packen, sobald sie gerufen werden. Schon bald könnte es im Plenum um die Hilfe für spanische Banken gehen. In der Sondersitzung würde dann über den Antrag Spaniens auf Hilfe in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro aus einem Euro-Rettungsschirm beraten und gegebenenfalls abgestimmt werden. Die aus Brüssel abgesegnete Vereinbarung soll in den kommenden Tagen stehen.

Einer, der die eigenen Leute in diesem Fall zusammentrommeln muss, ist der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller. Er sagt: "Wir rechnen fest mit einer Sondersitzung noch im Juli." Der Termin hänge noch davon ab, wie schnell mögliche Hilfsanträge in Brüssel bearbeitet werden. Die Abgeordneten müssten sich darauf einstellen, bereits ab dem 16. Juli zu einer Sondersitzung nach Berlin zu reisen. Möglich sei auch die Woche ab dem 23. Juli für die Sondersitzung. Dabei wird es wohl nicht bleiben: "Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Bundestag auch im August außerplanmäßig zusammenkommt, um über Hilfen für Zypern abzustimmen."

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Die SPD-Abgeordneten Aydan Özoguz und Hans-Ulrich Klose, die Grünen-Abgeordnete Krista Sager und der Linken-Parlamentarier Jan van Aken könnten in Schwierigkeiten geraten, falls eine der Sondersitzungen in den kommenden Wochen einberufen wird. Klose wird Ende Juli mit dem deutsch-chinesischen Dialogforum für fünf Tage nach China aufbrechen. Özoguz wird mit ihrer Familie zehn Tage in der Türkei sein. Sager ist zur Hochzeit des jüngsten Sohnes ihres Ehemanns nach Südkorea eingeladen.

Van Aken geht kommende Woche auf Dienstreise in die USA, um unter anderem die Verhandlungen um ein Waffenhandels-Übereinkommen bei der Uno zu beobachten. "Von dort könnte ich kaum kurzfristig zurückkommen", gibt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Linkspartei zu. Danach mache er aber zwei Wochen privaten Urlaub in Norditalien "und würde problemlos an Sondersitzungen teilnehmen können". Auch Özoguz ist nach dem Türkei-Urlaub flexibel. Mit Kind und Freundin werde sie für einige Tage auf einen Reiterhof nach Dithmarschen fahren. "Ich kann dann in Ruhe wieder alle Akten durchgehen, während die Kinder noch die Ferien genießen." Über die gesamte Zeit hinweg werde sie stets auf Empfang sein - "aber alle kennen den Wunsch, dass ich die zehn Tage im Ausland nur für Notfälle erreichbar bin". Klose will außer der China-Reise die Sommerpause in Hamburg verbringen. "Wir haben gar keinen Urlaub geplant in diesem Sommer." Sein Handy bleibe auf jeden Fall angeschaltet. Sager hat die Fraktionsführung bereits über ihre Reise nach Seoul informiert. "Praktisch bin ich den Rest des Julis weg, aber den gesamten August verfügbar und könnte schnell zu einer Sondersitzung anreisen", sagt sie.

Die anderen Hamburger Abgeordneten wollen vorerst in Reichweite bleiben. "Wie jedes Jahr mache ich zwei Wochen Urlaub auf Wangerooge und danach eine dreiwöchige Wehrübung an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg", so Johannes Kahrs. Der SPD-Bundestagsvertreter für Hamburg-Mitte rechnet wie auch die anderen Hamburger Bundestagsabgeordneten mit mindestens einer Sondersitzung. Der SPD-Parlamentarier Ingo Egloff betont: "Selbstverständlich werde ich an einer etwaigen Sitzung des Bundestages teilnehmen. Per Handy bin ich sowieso immer erreichbar, sodass ich auch etwaige Aufforderungen meiner Fraktion jederzeit wahrnehmen kann." Seinen Urlaub werde er von Anfang bis Mitte August in Dänemark verbringen, kündigt Egloff an.

Die Hamburger CDU-Abgeordneten halten sich weitgehend in Heimatgefilden auf. Dirk Fischer will Ende Juli eine Radtour entlang der Ostseeküste von Swinemünde über Stettin in Richtung Danzig machen. "Ansonsten bin ich in Hamburg und renoviere weiter meine Wohnung. Ich werde ausmisten und wegschmeißen, wegschmeißen, wegschmeißen. Aber wenn Norbert Lammert ruft, bin ich sofort da." Rüdiger Kruse plant gar nicht zu verreisen: "Der Sommer ist am schönsten in Hamburg. Ich besuche, wie im letzten Jahr, Unternehmen und Initiativen im Wahlkreis." Zwischendurch gehe es für ihn immer mal nach Berlin, auch um die Haushaltsberatungen vorzubereiten. "Der Präsident braucht mir also lediglich drei Stunden Vorwarnzeit geben, und ich bin da."

Auch Jürgen Klimke könnte schnell nach Berlin kommen. Während seines Dänemark-Urlaubs bleibt das Handy an. Mit Blick auf Lammerts Appell sagt er: "Hinausschwimmen gehört für mich auf Bornholm, wohin ich jedes Jahr fahre, schon dazu, aber natürlich auch Radfahren und vielleicht auch Marmelade einkochen. Ich freue mich schon auf eine schöne Zeit Ende Juli."

Hamburgs FDP-Landeschefin Sylvia Canel will ihr Handy "Tag und Nacht" anbehalten und in der Nähe der Hauptstadt bleiben. Sie fährt mit ihrer Familie nach Mecklenburg ins Ferienhaus. "Mit dem Auto ist man von dort innerhalb von zwei Stunden in Berlin."

Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) will bis einschließlich kommender Woche im Dienst bleiben, dann aber ein wenig Entspannung suchen. "Meine Frau ist Sylterin, daher fahre ich jeden Sommer nach Sylt. Von da gibt es auch eine Fluglinie nah Berlin. Insofern könnte ich innerhalb von wenigen Stunden in der Hauptstadt sein."

Grünen-Parlamentarier Manuel Sarrazin wird den Sommer in Hamburg und Berlin verleben und das Handy im Blick behalten. "Zu weit raus zu schwimmen bringt von Harburg sowieso nix, da landet man in Hamburg", so der Harburger Abgeordnete.