Altkanzler spricht vom Wahn der Deutschen. Ackermann nennt Merkel zögerlich

Hamburg. Josef Ackermann lieferte eine Gardinenpredigt, Helmut Schmidt außer seiner Expertise auch wieder beste Unterhaltung: Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank prangerte beim Deutschen Wirtschaftsforum der "Zeit" im Hamburger Michel die Staatsverschuldung in Europa an. Die Politik hätte die Ausgaben in den Griff bekommen müssen, sagte Ackermann. Das Krisenmanagement der Europäer, allen voran das von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy, nannte Ackermann zögerlich, zu unentschlossen, zu uneinheitlich. "Wir werden daher nicht darum herumkommen, die Machtbalance zwischen Nationalstaaten und der europäischen Gemeinschaftsebene zugunsten Letzterer zu verschieben und in die Verfassungen der Mitgliedstaaten einzugreifen."

Ganz so klar hatte es Bundeskanzlerin Merkel kurz zuvor im Bundestag nicht formuliert. Aber auch Ackermann schränkte ein: Das heiße nicht, die Nationalstaaten abzuschaffen und einen europäischen Bundesstaat zu gründen. Aber, so der Deutsche-Bank-Chef, auch die Banken müssten sich fragen lassen, warum es den Krisenländern so lange möglich war, sich immer weiter und so hoch zu verschulden.

Altkanzler Helmut Schmidt unterhielt die Besucher des Wirtschaftsforums mit seiner launigen Bemerkung zur deutschen Dominanz bei der Euro-Rettung: "Weder Merkel noch Sarkozy haben große Fortschritte beim Erlernen von Taktgefühl gegenüber ihren europäischen Partnern gemacht." Und: "Der Wahn der Deutschen, sich aufzuspielen, macht mir wirklich Sorgen." Schmidt wurde noch ernster: Als die Weltwirtschaftskrise 1929 ausbrach, war er zehn Jahre alt. Von den Auswirkungen auch auf die brüchige Weimarer Republik sprach der Altkanzler in eindringlichen Worten.

Für Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der kurzfristig abgesagt hatte, sprach der ehemalige CDU-Finanzexperte Friedrich Merz über die Chancen für Europa und Amerika. Die Finanzkrise sei ein "heilsamer Schock".

In den vergangenen Tagen war eine Debatte darüber entbrannt, ob die Konferenz des "Zeit"-Verlages in der Hamburger Hauptkirche stattfinden dürfe. (das Abendblatt berichtete). "Ich habe schon im vorigen Jahr bei dieser Veranstaltung mein Unbehagen darüber ausgedrückt", sagte der Altkanzler und "Zeit"-Herausgeber Schmidt. Hauptpastor Alexander Röder verteidigte sich gegen die Entrüstung vieler Hamburger. "Wir teilen diese Auffassung nicht, nehmen aber die Sorgen und Befürchtungen ernst und vertrauen darauf, dass sie besonders hier in der Kirche in ihrer unternehmerischen Verantwortung neben dem wirtschaftlichen Erfolg auch das Wohl der Menschen im Blick haben." Friedrich Merz ging ebenfalls auf das Thema ein und dankte Röder ausdrücklich dafür, dass er die Kirche für den Diskurs geöffnet habe. "Wo soll er denn sonst stattfinden?"