Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fürchtet, die Schuldenkrise nicht aus eigener Kraft lösen zu können. Der IWF soll helfen.

Brüssel. Die Mitglieder der Euro-Zone begraben die Hoffnung, die akuten Probleme der Staatsschuldenkrise auf dem Kontinent aus eigener Kraft lösen zu können. Die europäischen Finanzminister sprachen sich bei einem Treffen in Brüssel für Hilfe von außen aus. EU-Währungskommissar Olli Rehn brachte eine stärkere Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Spiel. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte: "Wir sind bereit, dem IWF noch mehr Mittel zu geben, und sind froh, dass er sich engagiert." Der IWF soll gemeinsam mit dem Rettungsfonds EFSF Euro-Staaten in Not helfen. Es ist von einem Betrag von insgesamt 50 Milliarden Euro die Rede, der von den Notenbanken der Mitgliedstaaten kommen soll.

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Die Not ist groß, den angeschlagenen Ländern in Europa zunächst über die kommenden Monate zu helfen. Allein das hoch verschuldete Italien hat nach Bloomberg-Berechnungen bis Ende 2012 einen Refinanzierungsbedarf von 307 Milliarden Euro, der Großteil davon wird schon im ersten Quartal fällig. Das liegt weit vor der Zeit, zu der die von Deutschland und Frankreich betriebenen Änderungen an den europäischen Verträgen in Kraft treten könnten. Die sollen, so die Hoffnung der Bundesregierung, langfristig das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewinnen. Europa sucht deshalb schnelle Hilfe von außen und ist zuversichtlich: Der Rettungsschirm könne es zusammen mit dem IWF leisten, den Zugang der Staaten zu Kapital auf dem Primärmarkt - also bei der Ausgabe neuer Staatsanleihen - sicherzustellen, sagte Schäuble. "Wir sind in der Lage, und wir haben die Instrumente - für eine begrenzte Summe. Aber wir wissen, wie hoch der Bedarf ist."

Ein zweiter Helfer in der Not könnte die Europäische Zentralbank (EZB) sein. Schwedens Finanzminister Anders Borg sagte, die Zentralbank habe noch "Spielraum" für den Kauf von Staatsanleihen. Die EZB kauft Papiere seit Monaten auf dem Sekundärmarkt, also von anderen Investoren. Eine direkte Finanzierung von Staatsdefiziten ist durch die europäischen Verträge ausgeschlossen. Österreichs Finanzministerin Maria Fekter zeigte sich aber offen für eine Änderung. Es brauche ein "flexibles" Instrument. Deutschland wehrt sich strikt dagegen. "Jede Diskussion, die den Druck reduziert, Haushaltsdefizite abzubauen, ist schädlich", sagte Schäuble.

Dass die wichtigsten Notenbanken in einer gemeinsamen Aktion beschlossen, Banken weltweit zu günstigen Zinsen kurzfristige Dollarkredite zur Verfügung zu stellen, kommentierten die Finanzminister nicht - wie üblich aus Respekt vor der Unabhängigkeit von Zentralbanken. Willkommen war die Entscheidung trotzdem, da sie Spannungen an den Finanzmärkten linderte. Die Kurse der meisten Staatsanleihen zogen an, das heißt, dass Renditen und damit die Kosten für die Länder sanken.

Schäuble gab zu, sich schwer damit zu tun, dass die EU die Staatschuldenkrise nicht alleine lösen kann: "Ich fühle mich derzeit nicht wohl damit, dass wir als Europäer bei den Treffen der G20, der G7 und des IWF seit mehr als einem Jahr die Agenda bestimmen", sagte er. Aber die derzeitigen europäischen Hilfsmittel erreichen nicht die erhoffte Feuerkraft. So beschlossen die Euro-Finanzminister zwar Regeln, um die Wirkung des Rettungsfonds EFSF durch die Einbindung privater Investoren zu vervielfachen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Hebelung nicht so groß sein wird wie geplant. Beim Gipfel der Regierungschefs vor einem Monat war die Rede davon gewesen, dass die verfügbaren 250 Milliarden Euro auf die Wirkung von einer Billion Euro gebracht werden könnten. Nun gab Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe, zu, dass dieses Ziel "wahrscheinlich nicht" erreicht werden könne.

Der Hilfsfonds EFSF soll einerseits Investoren zum Kauf von Anleihen unter Druck geratener Euro-Staaten bewegen, indem er ihnen für den Fall von Staatspleiten eine Art Teilkasko-Versicherung anbietet. Andererseits soll der Hilfsfonds EFSF fallweise Fonds einrichten, um dort Geld privater und staatlicher Investoren zum Aufkauf von Staatsanleihen zu sammeln. Beide Modelle sollen sicherstellen, dass Euro-Länder Kredite zu tragbaren Zinsen aufnehmen können, was gerade im Fall Italiens zuletzt kaum mehr gelang. EFSF-Chef Klaus Regling warb in den vergangenen Wochen weltweit um Investoren. Nun gestand er ein, zum Ergebnis seiner Werbetour noch wenig sagen zu können: "Es ist einfach nicht möglich, eine Summe zu nennen."

Kurzfristig ruht die Hoffnung nun auch darauf, dass die Finanzmärkte sich davon überzeugen lassen, dass die Krisenländer Reformen anpacken und Schulden abbauen. So kündigte Italiens Premier- und Finanzminister Mario Monti an, sein Kabinett werde am kommenden Montag Maßnahmen zur Reduzierung der Verschuldung ebenso beschließen wie Strukturreformen.

Gleichzeitig laufen die Verhandlungen über die langfristigen Regeln des Zusammenlebens in der Euro-Zone und der gesamten Union. "Wir erreichen nun die entscheidende Phase von zehn Tagen, um die Krisenreaktion der Europäischen Union fertigzustellen und zu beschließen", sagte Rehn. Die Staats- und Regierungschefs kommen am 8. und 9. Dezember zu einem Treffen zusammen. Der Termin sei "in der Tat von sehr hoher Bedeutung", sagte auch Schäuble. "Das wissen wir und sind entschlossen, Entscheidungen zu treffen."