Umweltminister Röttgen berät sich mit Ländern über ein Endlagersuchgesetz. Am Ende könnte die Prüfung von Alternativen zu Gorleben stehen.

Berlin/Hamburg. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ist am Freitag in Berlin mit Vertretern der Länder zusammengetroffen, um über einen Neustart bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager zu beraten. Möglich ist, dass sich Bund und Länder auf ein Endlagersuchgesetz verständigen und damit nach der jahrelangen Konzentration auf das niedersächsische Gorleben die Prüfung von Alternativen einleiten.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sagte vor Beginn der Gespräche: "Ich finde es gut, dass wir einen neuen Anlauf nehmen.“ Es sei wichtig, bei der Frage eines nationalen Endlagers zu einem Konsens zu kommen und parallel zu Gorleben Alternativen zu prüfen. "Es sind in diesem Prozess unendlich viele Fragen zu klären“, betonte McAllister.

Der grüne Bundestags-Fraktionschef Jürgen Trittin hält einen Konsens für möglich. "Wir haben zum ersten Mal die Chance seit drei Jahrzehnten, zu so etwas zu kommen wie dem Endlagerkonsens“, sagte Trittin am Freitag im ARD-"Morgenmagazin“.

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Zuversichtlich sei er vor allem, weil die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern sich einer ergebnisoffenen Endlagersuche nicht mehr verschließen. Auch das Versprechen von Röttgen für ein Verfahren nach wissenschaftlichen Kriterien bei der Endlagersuche spreche dafür.

Trittin forderte von der schwarz-gelben Bundesregierung, sehr schnell ein Gesetz mit den wesentlichen Kriterien für eine Endlagersuche auf den Weg zu bringen. Zudem verlangte Trittin erneut einen Baustopp für Gorleben. Es bestünden "massive Zweifel“ an der Eignung des Salzstocks als Atommüll-Endlager. "Wir brauchen ein Endlager, was den Atommüll für eine Million Jahre sicher einschließt“, sagte Trittin.

Schaffe man den angestrebten Konsens noch in dieser Legislaturperiode, dann sei "der letzte große Streitpunkt in der Atompolitik beseitigt, und das ist die Chance, die die Bundesminister und Länder ergreifen sollen“.

Röttgen könnte Trittins Wunsch fortführen

Gorleben war 1976 vom damaligen niedersächsischen Wirtschaftsminister Walther Leisler Kiep (CDU) ins Spiel gebracht worden. Bis dato waren andere Salzstöcke in Niedersachsen und Baden-Württemberg favorisiert worden. Im Zuge der Energiewende nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März gab es in diesem Jahr eine neue Bereitschaft in Schlüsselländern wie Bayern und Baden-Württemberg, einen Neustart zu wagen. Doch passiert ist bisher wenig.

Seit 1980 wird nur der Salzstock Gorleben geprüft. In die Erkundung wurden bisher rund 1,6 Milliarden Euro investiert. Doch SPD, Grüne, Linke und Umweltverbände dringen auf Alternativen, weil der Standort wegen eines fehlenden durchgängigen Deckgebirges und Gasvorkommen zu unsicher sei, um dauerhaft hochradioaktiven Müll im Salz sicher zu verschließen und Radioaktivität abzuschirmen.

Röttgen will einen Konsens wie beim Atomausstieg, der dann im kommenden Jahr in ein "Endlagersuchgesetz" münden könnte. Wenn es einen Neustart bei der Suche geben soll, könnte er auch den Gesetzentwurf seines Amtsvorgängers Trittin aus der Schublade kramen. Das sagt zumindest die Opposition. Trittin wollte eine neue Suche starten, nachdem er einen Erkundungsstopp für das Lager in Gorleben verfügt hatte. Doch der Regierungswechsel 2005 kam Trittin dazwischen.

Röttgen hatte im Vorfeld betont, ihm sei wie beim Atomausstieg ein Konsens sehr wichtig. Aus Baden-Württemberg kommt der Vorschlag, bundesweit bis zu vier weitere Standorte zu prüfen und 2020/2021 zwischen den zwei besten Optionen das Endlager auszuwählen.

Nur zwei Ministerpräsidenten folgen Einladung Röttgens

Röttgen hatte zu dem Treffen die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer eingeladen, es reisten aber nur Niedersachsens Regierungschef David McAllister (CDU) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an. Die anderen Länderregierungen haben Referenten und Staatssekretäre geschickt.

Sie mögen pikiert sein, dass die einflussreichen Länder-MPs sonst von der Kanzlerin eingeladen werden. Doch beim Thema Endlager blicken fast alle beschämt zu Boden. Kein Ministerpräsident kann seinen Bürgern verkaufen, im eigenen Bundesland werde ein Endlager erkundet. Kretschmann dagegen sagte vor dem Treffen: "Es muss der Standort sein, der der beste ist, egal wo er liegt." Und: "Suchen, ohne finden zu wollen, ist sinnlos." Auch Gorleben bleibe eine Option, sagte Kretschmann. "Da Salzstöcke grundsätzlich infrage kommen, bleibt Gorleben erst mal drin."

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Die Grünen im Bund wollen die Erkundung von Gorleben stoppen. Kretschmann wandte sich gegen voreilige Festlegungen. Erst müssten strenge Kriterien für die neue Suche festgelegt werden. Bund und Länder müssten an einem Strang ziehen. "Ein Endlager zu suchen, zu finden und am Ende auch durchzusetzen, dazu ist ein nationaler Konsens erforderlich."

Atomkraftgegner legen eigenes Konzept vor

Derweil haben Atomkraftgegner ein eigenes Konzept für den Umgang mit hoch radioaktivem Atommüll vorgelegt. Der von der Organisation "ausgestrahlt" entwickelte "Sieben-Stufen-Plan" sehe zunächst den Stopp der weiteren Produktion von Atommüll vor, sagte Sprecher Jochen Stay in Hamburg. Weitere Voraussetzung für eine neue Endlagersuche sei der Verzicht auf den bislang favorisierten Standort Gorleben. "Solange der marode Salzstock noch im Spiel ist, wird es keinen fairen und objektiven Vergleich von Standorten geben können", sagte Stay. Umweltschützer halten Gorleben für "verbrannt", weil der Standort nicht nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt worden sei und der Salzstock Kontakt zum Grundwasser sowie zu Gasfeldern habe.

Aktivisten von Greenpeace hatten am Freitag an der Fassade des Ministeriums ein Plakat mit der Aufschrift "McAllister: Ausstieg aus Gorleben - Castor absagen“ angebracht. Angesichts umstrittener Strahlenwerte im oberirdischen Zwischenlager gibt es Kritik an dem nächsten Atommülltransport, der Ende November in Gorleben eintreffen soll.

Mit Material von dpa