Wieder steht eine Eilentscheidung bei der Euro-Rettung an. Haushaltsausschuss hält sich offen, ob er vor dem EU-Gipfel den neuen Richtlinien für den EFSF zustimmt

Gerüchte, dass der Euro-Rettungsschirm künftig mithilfe von Hebeltricks seine Finanzkraft in Billionenhöhe treiben kann, sorgen im Bundestag für Unbehagen. Die Abgeordneten Gerhard Schick (Grüne) und Carsten Schneider (SPD) haken deshalb bei Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach. Sie hätten das Gefühl, die Bundesregierung plane längst einen solchen Kredithebel für den Hilfsfonds EFSF. Schäuble weist ihre Nachfragen brüsk zurück. Die Opposition verunsichere durch "falsche Behauptungen und Insinuierungen". Das sei "unanständig und unangemessen". Der Finanzminister dementiert den Kredithebel zwar nicht, aber er suggeriert, dass sich die Frage nicht stelle.

Drei Wochen ist diese Bundestagsdebatte nun her. Und wie so häufig bei der Euro-Rettung haben sich die Gerüchte schnell bewahrheitet. Schäuble spricht mittlerweile offen von einer "effizienten" Nutzung des Rettungsschirms. Die Bundesregierung verhandelt mit Frankreich über die Details eines Kredithebels.

Favorisiert wird folgendes Modell: Die EFSF agiert künftig als eine Art Versicherer. Anstatt selbst am Markt Staatsanleihen zu kaufen, lockt sie Investoren wie Banken mit Garantien. Im Falle einer Staatspleite würde der Rettungsschirm den privaten Gläubigern einen Teil ihres Investments zurückzahlen, zum Beispiel 20 Prozent. Dadurch werden Anleihen hoch verschuldeter Länder attraktiver. Und die EFSF kann mit ihren Mitteln die fünffache Summe an Anleihekäufen auslösen. Ohne dass die Staaten ihre Bürgschaften erhöhen müssen, könnte sie durch den Hebel mit 200 Milliarden über eine Billion bewegen.

Eine solche Größenordnung soll Schäuble am Dienstagabend bei einer Fraktionsbesprechung genannt haben, was sein Sprecher allerdings dementiert. Klar ist aber: Die Versicherungsvariante für die EFSF rückt näher. Sie soll Bestandteil der Richtlinien (guidelines) des Rettungsschirms werden, wie auch gestern bei einer Sitzung des Haushaltsausschusses besprochen wurde. In der Nacht zu Donnerstag sollen die Richtlinien, gerechnet wird mit 70 Seiten, aus Brüssel eintreffen und dann an das Parlament weitergeleitet werden. Anschließend muss der Haushaltsausschuss zustimmen. Die Fraktionen planen Sondersitzungen. Es herrscht mal wieder hektische Krisenbetriebsamkeit.

Und schlechte Stimmung. Vor allem die Opposition nimmt Schäuble übel, dass sie nun Maßahmen absegnen soll, über die er vor drei Wochen jede Auskunft verweigerte. Die Regierung habe das Parlament bei der letzten Abstimmung über die EFSF "getäuscht". Schäuble nehme den Bundestag nicht ernst, sagte SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs der "Welt". Schon bei der Debatte über den Rettungsschirm vor drei Wochen habe "Herr Schäuble rumgeeiert und unsere Fragen unredlich beantwortet. Nun hat er ein Glaubwürdigkeitsproblem."

Der letzten EFSF-Erweiterung hatten die Sozialdemokraten zugestimmt. Nun verlangen sie eine erneute Abstimmung über Hebelwirkung, lassen aber ihre Haltung offen. Die künftige EFSF sei anders konstruiert als zu der letzten Abstimmung. "Es gibt nur Gerüchte, es gibt keine Information", warf SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann der Regierung vor. Der schnelle Ablauf der Ereignisse sei eine "unerträgliche Situation", sagte Oppermann. Der geplante Ablauf bis zum EU-Gipfel am Sonntag sei "in keiner Weise eines Parlaments angemessen. So kann man mit einem Parlament in einer Demokratie nicht umgehen."

Haushaltsexperte Kahrs verlangte zudem, die Rechte des Haushaltsausschusses zu wahren. Es gehe nicht an, dass das neunköpfige Sondergremium des Haushaltsausschusses "in Telefonkonferenz mit einer Mehrheit von fünf zu vier Milliardensummen bewegt, während der Haushaltsausschuss selbst über Beträge von 10 000 Euro streitet". Dies sei "abenteuerlich". Mit einer Veränderung des Rettungsschirms müsse das ganze Parlament und der gesamte Haushaltsausschuss befasst werden, forderte Kahrs: "Herr Schäuble kann das Parlament nicht aushebeln."

Auch Koalitionspolitiker lassen offen, ob der Haushaltsausschuss seine Beratungen noch in dieser Woche abschließen werde. Das hänge davon ab, wann die EFSF-Richtlinien vorgelegt würden und was darin stehe. Man wolle die Ausgestaltung des Kredithebels genau prüfen, sagte ein Haushaltspolitiker. Und man werde sich dafür die Zeit nehmen, die man brauche.