Nachdem an Berliner Bahngleisen mehrere Brandsätze explodiert sind, fordern Polizei und Verfassungschutz den Einsatz verdeckter Ermittler.

Berlin. Nach den Brandanschlägen auf Bahnanlagen ist eine politische Diskussion um die Gefährlichkeit mutmaßlich linksextremer Attentäter entstanden. Polizei und Verfassungsschutz fordern eine stärkere Überwachung dieser Gruppierungen - auch durch den Einsatz verdeckter Ermittler.

André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK),sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag), im Bereich des Linksextremismus habe man es zu lange schleifen lassen. „Der Polizei fehlen bundesweit einige hundert Staatsschützer, die nach dem 11. September 2001 für den Anti-Terror-Kampf abgezogen worden sind“, kritisierte der BDK-Chef. „Diese großen Lücken dürfen wir uns nicht leisten.“

Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verlangte, die linksextremistische Szene „viel intensiver als bisher mit verdeckten Ermittlern zu unterwandern“. An diesen Spezialisten fehle es der Polizei aber an allen Ecken und Enden. Die eingeschleusten Ermittler müssten zudem befugt sein, „sich zum Schein an szenetypischen Straftaten zu beteiligen, sonst bleibt ihr Einsatz ein stumpfes Schwert“.

+++ Weitere Anschläge - Bahn setzt 100.000 Euro Belohnung aus +++

+++ Linksextremisten legen Bahnverkehr lahm +++

Auch am Donnerstag war in Berlin ein Brandsatz gefunden worden. Damit stieg die Zahl der entdeckten Brandsätze seit Montag auf 18. Die meisten konnten unschädlich gemacht werden – zwei zündeten aber. In der Nacht zum Freitag wurden keine neuen Brandsätze entdeckt, berichtete die Polizei. Die mutmaßlich linksextremen Täter wollen mit ihren Brandsätzen an Gleisen und in Kabelschächten den Bahnverkehr lahmlegen. Bisher gibt es aber trotz eines Bekennerschreibens einer linksextremistischen Gruppe keine konkreten Hinweise auf die Täter und ihr Umfeld.

Wegen des Verdachts der „verfassungsfeindlichen Sabotage“ hatte am Mittwoch die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Die Bahn hat 100.000 Euro Belohnung für Hinweise ausgesetzt, mit denen die Täter der versuchten Brandanschläge ergriffen werden können.

Die Bundesregierung erwägt, „an neuralgischen Stellen wie Hauptbahnhöfen mehr Kameras einzusetzen“. Das sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Ein lückenloser Schutz sei bei 34.000 Kilometern Netzlänge allerdings nicht möglich. Auch er sprach von „einer neuen Dimension extremistischer Gewalt“.

Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz, sieht dagegen keinen neuen Extremismus. „Ich würde da eher von einer neuen Dimension von Brandstiftung reden“, sagte Nerz der „Rheinischen Post“ (Freitag). Die Taten dürften nicht verharmlost werden. Aber ein ideologischer Überbau oder ein „großes Ziel“ scheine völlig zu fehlen, ebenso wie eine weitergehende quasi-professionelle Struktur oder Gruppe. Eine Terrorismusdebatte sei somit verfrüht. (abendblatt.de/dpa)