Helmut Schmidt warnt vor Dramatisierung der Lage - Kanzlerin Angela Merkel übersteht Abstimmung über Rettungsschirm

Hamburg/Berlin. Am Tag der Zustimmung zum europäischen Rettungsschirm hat Altkanzler Helmut Schmidt eindringlich für den Euro geworben. Bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und des Hamburger Abendblatts sagte der 92-Jährige: "Der Euro ist nicht gefährdet - die Währung ist stabiler, als es die D-Mark in ihren letzten zehn Jahren war, sowohl nach innen als auch nach außen." Er warnte bei der Veranstaltung im Hotel Atlantic vor einer Dramatisierung der Lage. "Wir haben keine Existenzkrise, aber eine Krise der europäischen Institutionen", betonte der SPD-Politiker, der sich als "Großvater des Euro" bezeichnete.

Am Mittag hatte der Bundestag mit der für die Koalition machtpolitisch bedeutsamen Kanzlermehrheit die Ausweitung des Euro-Rettungsfonds EFSF beschlossen. Union und FDP erreichten gemeinsam 315 Jastimmen, mindestens 311 Stimmen wären für die Kanzlermehrheit nötig gewesen. In der CDU/CSU-Fraktion verweigerten elf Abgeordnete ihr Ja, bei der FDP vier. Insgesamt stimmten 523 der anwesenden 611 Abgeordneten für die Erweiterung des Euro-Schirms. Der deutsche Garantierahmen steigt auf 211 Milliarden Euro. Der Bundestag beschloss zudem mehr Mitbestimmungsrechte des Parlaments für künftige Euro-Hilfen.

Die Erleichterung auf Koalitionsseite war groß nach Bekanntwerden des Ergebnisses. Ihm sei "ein Stein vom Herzen gefallen", sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmeier (CDU). Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte, das Signal an die europäischen Partner laute: "Auf Deutschland ist Verlass."

In der Bundestagsdebatte hatte der frühere Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zuvor die Koalition um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) attackiert: "Nach meiner Wahrnehmung sind wir im Augenblick nach dem chinesischen Kalender im Jahr des Hasen. Und genau den Eindruck vermittelt diese Regierung." Ärger aus den eigenen Reihen bekam Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er hatte mit Frank Schäffler (FDP) und Klaus-Peter Willsch (CDU) zwei Rettungsschirm-Gegnern aus der Koalition Redezeit gewährt. Sie beklagten schwere Fehler von Koalition und Regierung und warnten vor den finanziellen Gefahren. Schäffler sprach von Rechtsbruch.

Heute wird sich der Bundesrat in einer Sondersitzung mit dem erweiterten EFSF beschäftigen. Eine Zustimmung der Länderkammer gilt als sicher. Auch Hamburg wird nach Informationen des Abendblatts mit Ja stimmen. Der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) forderte gegenüber dem Abendblatt einheitliche Anstrengungen in Europa: "Wir brauchen einen Konsens darüber, dass die Staatsverschuldung nicht mehr weiter anwachsen darf. Wir brauchen in allen Euro-Ländern eine Schuldenbremse in der Verfassung." Trotz des heutigen Votums der Länderkammer ist eine Mitbestimmung des Bundesrats nicht vorgesehen.