Vatikan hatte das Gespräch im Erfurter Priesterseminar heimlich vorbereitet

Erfurt. Nach einem langen Tag gab es am Freitagabend noch ein besonders Treffen, das vom Vatikan in aller Stille vorbereitet worden war. Der Papst kam außerhalb des offiziellen Programms mit Opfern sexuellen Missbrauchs durch Priester und kirchliche Mitarbeiter zusammen. Drei Männer und zwei Frauen erzählten dem Heiligen Vater im Erfurter Priesterseminar, wo der Papst auch übernachtete, ihre Leidensgeschichte. Die Opfer hatten sich bei der von der Bischofskonferenz im vergangenen Jahr eingerichteten Hotline für Betroffene gemeldet. Nach der anschließend vom Vatikan veröffentlichten Erklärung zeigte sich Benedikt XVI. von der Not der Missbrauchsopfer "bewegt und erschüttert". Er habe sein "tiefes Mitgefühl und Bedauern" bekundet für alles, was ihnen und ihren Familien angetan worden sei. Zudem habe er "den Anwesenden versichert, dass den Verantwortlichen in der Kirche an der Aufarbeitung aller Missbrauchsdelikte gelegen ist und sie darum bemüht sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu fördern".

Weiter hieß es: "Papst Benedikt XVI. ist den Opfern nahe und bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der barmherzige Gott, der Schöpfer und Erlöser aller Menschen, die Wunden der Missbrauchten heilen und ihnen inneren Frieden schenken möge." Vielfache Missbrauchsfälle hatten die katholische Kirche im Vorjahr tief erschüttert.

Die US-Opferorganisation SNAP ("Survivors Network of those Abused By Priests", Netzwerk der Überlebenden des Missbrauchs durch Priester) kritisierte, das Treffen sei "eine weitere nette, aber bedeutungslose Geste". Das Gespräch halte keinen Priester davon ab, Kinder zu belästigen, und es verhindere auch nicht, dass Bischöfe derartige Taten deckten. Schon in der Vergangenheit hatten sich der Papst und seine Mitarbeiter heimlich mit Missbrauchsopfern getroffen. Unter anderem während einer USA-Reise im April 2008.

In der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt waren rund 400 Menschen auf die Straße gegangen. Unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenangst" forderten sie auf Transparenten und Plakaten eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Sie kritisierten zudem das Verhalten des Vatikans gegenüber Homosexuellen und Opfern sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester. "Joseph Ratzinger ist ein Kinderschänderschützer" stand auf einem Transparent. Zuvor hatten Missbrauchsopfer mit einer Mahnwache eine weitere Aufarbeitung sexueller Vergehen von Geistlichen gefordert.