Euro-Krise und Naturkatastrophen beunruhigen Bürger. Insgesamt haben Deutsche aber weniger Angst als in Vorjahren

Berlin. Die Euro-Schuldenkrise ist für die Deutschen gegenwärtig der Angstmacher Nummer eins. Das geht aus der Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen 2011" der R+V Versicherung hervor, die jetzt in Berlin vorgestellt wurde. Alle langfristig abgefragten Ängste sind danach aber gesunken. Das durchschnittliche Angstniveau hat gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozentpunkte nachgelassen, damit erreicht der Angstindex einen Wert von 43 Prozent, so tief lag er seit zehn Jahren nicht mehr - 2001 wurde ein Wert von 41 Prozent erreicht. Aber: "Die Turbulenzen der Euro-Schuldenkrise, die tödlichen EHEC-Keime auf Gemüse, der Tsunami und die Atomkatastrophe in Japan überschatten in diesem Jahr alle anderen Sorgen", berichtete Rita Jakli, Leiterin des Infocenters der R+V Versicherung.

70 Prozent der Deutschen befürchten, dass die drohende Pleite einiger EU-Länder den deutschen Steuerzahler teuer zu stehen kommt - keine Angst erreichte 2011 höhere Werte. 60 Prozent befürchten, dass die Euro-Währung durch die aktuelle Schuldenkrise gefährdet wird. Viele Sorgen haben den Deutschen in diesem Jahr auch dioxinverseuchte Eier und tödliche EHEC-Erreger in Gemüse bereitet. 70 Prozent fürchten sich vor Schadstoffbelastungen in Lebensmitteln.

Die Versicherung hatte zum 21. Mal rund 2500 Bürger nach ihren größten Ängsten befragt. Die 16 Standardfragen wurden in diesem Jahr um Fragen zum Euro, zur Atomenergie und zur Lebensmittelsicherheit ergänzt.

Während die Deutschen die Furcht um Euro und Umwelt umtreibt, blicken sie optimistisch auf die eigene wirtschaftliche Situation. "Die großen europäischen Wirtschaftsfragen überdecken in diesem Jahr die traditionellen Ängste um die eigene Wirtschaftslage", erklärte Manfred Schmidt, Politologe an der Universität Heidelberg. So war die Furcht vor steigenden Arbeitslosenzahlen in Deutschland nie so gering wie heute - sie rutschte in das hintere Drittel der Ängste-Skala auf den zwölften Platz. Schmidt erklärt den Rückgang der Ängste vor einer hohen Arbeitslosigkeit (minus 24 Prozentpunkte), vor einem Konjunkturabschwung (minus 19) sowie vor einem Verlust des eigenen Jobs (minus zwölf) mit dem erfolgreichen Krisenmanagement von 2008/2009 und dem nachfolgenden Wirtschaftsaufschwung. Nur eine wirtschaftliche Angst bleibt groß: 63 Prozent der Deutschen machen sich Sorgen über die steigenden Lebenshaltungskosten. In Ostdeutschland sind es sogar 73 Prozent. Im Ranking der 16 Standardfragen steht die Inflationsangst damit wie bereits im Vorjahr auf dem ersten Platz.

Auf Platz zwei folgt - zum zweiten Mal seit 2007 - mit 60 Prozent die Angst vor Naturkatastrophen. Auslöser dafür sind nach Ansicht von Schmidt nicht nur die sintflutartigen Regenfälle und Orkanböen im eigenen Land, sondern auch das Erdbeben und der verheerende Tsunami in Japan. Die Katastrophe dort hat auch die Debatten über die Kernenergie erneut entflammt. 54 Prozent der Deutschen fürchten sich vor schweren Störfällen in Atomkraftwerken im eigenen Land. Nur etwa jeder Vierte befürchtet auch, dass der Ausstieg aus der Atomenergie die Stromversorgung gefährdet. Zwei ganz persönliche Ängste finden sich weit oben auf der Skala 2011. Auf dem dritten Platz ist die Sorge, im Alter zum Pflegefall zu werden. Auf Platz sechs steht die Angst vor einer schweren Erkrankung. Auch hier haben die Menschen in Ostdeutschland stärkere Bedenken. "Ansonsten gleichen sich die Ergebnisse von Ost und West aber immer weiter an", berichtet Rita Jakli, Leiterin des R+V-Infocenters. Schlusslicht bildet mit 18 Prozent nach wie vor die Angst vor dem Zerbrechen der Partnerschaft, auch wenn die Statistik zeige, dass mehr als jede dritte Ehe in Deutschland wieder geschieden wird.

Die Angst vor dem Terror - mit 50 Prozent Platz fünf der Skala - bleibt auch zehn Jahre nach dem Anschlag auf die Türme des World Trade Centers in New York groß. Vor dem Attentat am 11. September 2001 hatte diese Furcht nie über der 30-Prozent-Marke gelegen, danach hat sie sich auf hohem Niveau eingependelt. Erneut, wenn auch auf niedrigerem Niveau als im Vorjahr, äußern die Deutschen Politikverdrossenheit. Mehr als die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass die Politiker schlicht überfordert sind. Sie verteilten Schulnoten von im Schnitt 4,3. "Hier sind die Befragten genauso streng wie bei der Beurteilung von Fußballspielern der Bundesliga", sagt Politologe Schmidt.

Die geringsten Sorgen machen sich in diesem Jahr die Menschen in Baden-Württemberg, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Die ängstlichsten Menschen leben der Studie zufolge wie bereits im Vorjahr in Sachsen-Anhalt, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern und Hessen. Die Norddeutschen Länder Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen teilen sich gemeinsam den mittleren Platz sechs.