Verfassungsrichter stärken damit den Kurs der Bundesregierung, geben aber keinen Blankoscheck

Karlsruhe/Berlin. Mit dem Ja des Bundesverfassungsgerichts zu den Euro-Hilfen bekommt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Rückendeckung für ihren umstrittenen Kurs in der Schuldenkrise. Die obersten deutschen Richter billigten gestern die ersten Rettungspakete für Griechenland und den Euro. Die Verfassungshüter betonten zugleich, das Urteil sei für die Regierung "keine Blanko-Ermächtigung für weitere Rettungspakete".

Mit der Entscheidung knüpft das Gericht an seine Urteile zu den Verträgen von Maastricht und Lissabon, bei denen es die Souveränität des deutschen Staates hervorhob, an. Erneut findet sich ein klares Nein gegen Mehrheitsentscheidungen in der EU, bei denen Deutschland überstimmt werden könnte. In diese Rubrik fallen auch die Euro-Bonds, da auch bei ihnen die deutsche Regierung nicht in allen Belangen Herr des Verfahrens sein könnte. Die Vergemeinschaftung von Staatsschulden berge ein hohes Risiko für die Eigenverantwortung. Das Budgetrecht des Bundestages habe eine "zentrale Rolle" bei der politischen Willensbildung. Die Bundesregierung müsse deshalb bei der Übernahme einzelner Gewährleistungen im Rahmen des Euro-Rettungsschirms grundsätzlich die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestages einholen. Es genüge nicht für die Bundesregierung, "Einvernehmen" mit dem Ausschuss herzustellen.

"Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs" müsse vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden, heißt es im Urteil. Auch bei der praktischen Verwendung der Mittel müsse ausreichender parlamentarischer Einfluss gesichert sein. Der Bundestag dürfe sich keinen Finanz-Mechanismen ausliefern, die zu nicht überschaubaren und für den Haushalt bedeutsamen Belastungen führen könnten, ohne dass der Bundestag erneut zustimme.

Die drei Verfassungsbeschwerden von Euro-Kritikern gegen die Beschlüsse zu den Rettungshilfen von 2010 blieben damit weitgehend erfolglos (Az.: 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10). In Brüssel reagierte die EU-Kommission zufrieden. Auch die Opposition begrüßte die stärkere Stellung des Bundestags. Die Grünen sprachen von einer guten Nachricht für Europa. Der Präsident des Verfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, betonte, der Tenor der Entscheidung sei "denkbar knapp" ausgefallen.

Konkret ging es um das erste 110 Milliarden Euro umfassende Hilfspaket für Griechenland vom Mai 2010 und den ebenfalls im Frühjahr 2010 aufgelegten gemeinsamen Euro-Rettungsschirm EFSF. Hier bürgt Deutschland mit bis zu 148 Milliarden Euro.

Mit dem vom zuständigen Richter Udo Di Fabio geprägten Urteil hat das Gericht auch keine neuen Hürden für den Ende September geplanten Bundestagsbeschluss über eine Stärkung des EFSF erstellt. Die schwarz-gelbe Koalition muss dabei um eine eigene Mehrheit zittern. Das Urteil soll nun in den weiteren Gesetzesberatungen zur EFSF-Reform berücksichtigt werden.

Dem Argument mehrerer klagender Professoren und des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, durch den Rettungsschirm drohten ein riesiges Haushaltsloch und damit die Handlungsunfähigkeit des Staates, konnte dasGericht nicht folgen. Die Beurteilung, ob diese vorgesehenen Gewährleistungsermächtigungen in Höhe von insgesamt rund 170 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt tragbar seien, liege noch im Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, betonten die Richter. Eine Obergrenze für die künftige Höhe von Bürgschaften setzte das Verfassungsgericht nicht fest.