Die Kanzlerin sieht sich durch das Urteil des Verfassungsgerichts bestätigt. Merkel sprach sich im Bundestag erneut gegen Eurobonds aus.

Berlin. Der Bundestag hat am heutigen Mittwoch mit der traditionellen Generaldebatte seine Beratungen über den Haushalt 2012 fortgesetzt. Zuvor war mit großer Spannung das Urteil des Bundesverfassungsgericht zu den milliardenschweren deutschen Euro-Hilfen erwartet worden. Die Richter in Karlsruhe lehnten drei Verfassungsbeschwerden ab und entschieden, dass die Euro-Hilfen verfassungsgemäß sind .

In der anschließenden Debatte um den Haushalt versuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem kämpferischen Plädoyer für mehr Europa, Skeptiker in den eigenen Reihen für den erweiterten Euro-Rettungsschirm zu gewinnen. „Deutschlands Zukunft ist untrennbar mit der Zukunft Europas verbunden“, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. Europa sei „viel, viel mehr als eine gemeinsame Währung“. Die Geschichte habe gezeigt, dass Länder mit einer Gemeinschaftswährung nie Kriege gegeneinander geführt hätten, sagte Merkel, deren Koalitionsmehrheit bei der Abstimmung über den Rettungsschirm EFSF Ende September wackelt.

„Scheitert der Euro, scheitert Europa“, bekräftigte Merkel. „Er darf nicht scheitern, und er wird nicht scheitern.“ Die hohe Verschuldung einzelner Länder sei die Hauptursache der Krise. „Das wird ein langer, schwieriger, aber ein für die Zukunft richtiger Weg“, betonte die Kanzlerin, die für ihre Rede langen Applaus bekam.

+++ Bundesregierung weiter strikt gegen Eurobonds +++

Die Kanzlerin betonte, dass die Verschuldung in Europa nicht allein das Ergebnis der Bankenrettung und Konjunkturpakete seit der Wirtschaftskrise 2008 sei. „Diese Verschuldung ist das Ergebnis von Jahrzehnten einer falschen Philosophie.“ Auch Deutschland sei an dieser Entwicklung beteiligt gewesen. So habe das Schuldenmachen seinen Ursprung in der ersten großen Koalition (1966-1969). Schlechte Zeiten seien mit mehr Schulden bekämpft worden, und in guten Zeiten sei dann zu wenig gespart worden. „Diese Krise kann mit einem „Weiter so“ nicht bekämpft werden.“ Es gehe um einen grundsätzlichen Wandel, zum Wohle künftiger Generationen.

Merkel betonte außerdem, dass die Änderungen in den EU-Verträgen kein Tabu mehr sein dürften. Es zeige sich in bisher nicht gekannter Deutlichkeit, dass schon die Probleme eines Landes wie Griechenland, dass zwei Prozent der Wirtschaftskraft der Euro-Zone ausmache, die ganze Währung in Gefahr bringen können. Im EU-Vertrag von Lissabon gebe es bisher keinen Mechanismus, wie mit solchen Krisen umzugehen sei.

Die Weltwirtschaft sei wie ein fein gesponnenes Netz, das unterstreiche die aktuelle Lage. „Wenn man irgendwo einen Faden kappt, kann das das ganze Netz zum Einsturz bringen.“ Den Gegnern der Euro-Rettungsschirme rief Merkel zu, dass aktuell keine theoretische Diskussion am Reißbrett geführt werde. Dies zeige auch der Schritt der Schweiz, die sich mit der stärkeren Orientierung am Euro in das globale Gefüge einfüge. Die Bundesregierung müsse jeden Schritt kontrolliert gehen - ständig neue Ideen, wie gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder, seien da nicht hilfreich. „Eurobonds sind der Weg in die Schuldenunion.“ Auf Zwischenrufe von SPD-Chef Sigmar Gabriel erwiderte Merkel, man könne nicht nur Schlagwörter liefern, die die Märkte zusätzlich verunsicherten. Die Vorschläge der Opposition taugten deshalb nicht als Regierungshandeln.

+++ Das Dossier zur Euro-Krise +++

Es sei von zentraler Bedeutung, auch den deutschen Haushalt zu konsolidieren. „Es ist richtig und gut, dass wir die Schuldengrenze einhalten“, sagte Merkel mit Blick auf eine angepeilte niedrige Neuverschuldung. 2012 soll sie im Bund unter 30 Milliarden Euro gehalten werden. „Aber wir dürfen uns auch nicht in die Tasche lügen.“ Mit 83 Prozent Gesamtverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei es noch ein weiter Weg, um die Kriterien des Maastricht-Vertrags zu erreichen. Dieser sieht für die Euro-Staaten eine Verschuldungsgrenze von 60 Prozent des BIP vor.

Merkel räumte ein, dass die Regulierung der Finanzmärkte noch nicht soweit sei wie nötig. Deutschland mache Druck, dass es in Europa einheitliche Regeln für den Handel mit riskanten Derivate-Geschäften gebe. Zur Wahrheit der Finanzkrise gehöre aber auch, dass nationale Alleingänge nicht ausreichten: „Alleine können wir es auch nicht entscheiden“, sagte Merkel.

Brüderle greift griechische Regierung an

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle hat die griechische Regierung scharf kritisiert. „Das Verhalten Griechenlands ist nicht in Ordnung“, sagte er am Mittwoch in der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag. Athen müsse sich an die Vereinbarungen zur Haushaltskonsolidierung halten und andernfalls mit Konsequenzen rechnen. „Ohne Leistung keine Gegenleistung, so einfach ist es“, sagte Brüderle mit Blick auf die europäischen Hilfen für das Land. Zugleich wandte er sich klar gegen gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder. Euro-Bonds seien „politisch, ökonomisch und rechtlich ein Holzweg“ und „Zins-Sozialismus“, sagte Brüderle.

Heftige Kritik an Außenminister Westerwelle

Bevor die Generaldebatte um den Haushalt 2012 begann, wurde zunächst um den Etat des Auswärtigen Amtes gesprochen. Dabei gab es heftige Kritik an Außenminister Guido Westerwelle. SPD-Fraktionsvize Gernot Erler forderte den früheren FDP-Chef auf, nach dem Parteivorsitz auch das Auswärtige Amt abzugeben. Westerwelle habe mit der Enthaltung zum Libyen-Einsatz dem eigenen Land massiv geschadet. Im Ausland gebe es heute eine „katastrophale Diskussion“ über Deutschlands Verlässlichkeit.

Erler hielt Westerwelle vor, auch nach zwei Jahren „immer noch nicht in Ihrem Amt angekommen“ zu sein. Die eigene Partei habe ihn „gnadenlos demontiert“ und zum „Außenminister auf Abruf“ gemacht. „Inzwischen sind Sie zu einer Personifizierung deutscher Außenpolitik von befremdlicher Gestalt und verhängnisvoller Wirkung geworden.“ Westerwelle müsse deshalb „endlich selber die Konsequenzen“ ziehen. Auch Grüne und Linkspartei äußerten massive Kritik. Der Grünen-Abgeordnete Frithjof Schmidt nannte Westerwelle einen Totalausfall. Er finde „weder den richtigen Ton noch die richtigen Worte“ und sei dafür verantwortlich, dass Deutschland „dramatisch an Ansehen“ verliere. Zuvor hatte Westerwelle Rot-Grün vorgeworfen, eine große Mitverantwortung an der Euro-Krise zu tragen. Während ihrer Regierungszeit hätten SPD und Grüne 2004 mit der Aufweichung der Euro-Stabilitätskriterien die „Axt an die Wurzeln Europas“ gelegt. Dies sei der „größte Fehler in der Nachkriegsgeschichte“ gewesen. (dpa/dapd/abendblatt.de)