Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) spricht erstmals über die politische Zukunft seines ehemaligen Kronprinzen Christian von Boetticher - und wie es zu dessen Rücktritt kam

Kiel. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat bereits vor drei Wochen von der Kieler Lolita-Affäre erfahren und seinem Kronprinzen Christian von Boetticher den Rücktritt nahegelegt. "Ich habe immer wieder versucht, ihn zum Handeln zu bewegen", sagte Carstensen im Abendblatt-Interview, in dem er sich erstmals ausführlich zu dem Fall äußerte. Von Boetticher habe sich aber auf die "Rechtsposition zurückgezogen", dass eine Beziehung zu einer 16 Jahre alten Schülerin legal sei. Er habe geglaubt, "die Presse dürfe darüber gar nichts bringen", sagte Carstensen.

Von Boetticher, der die CDU in die Landtagswahl im Mai führen sollte, war am vergangenen Sonntag als Parteivorsitzender zurückgetreten und hatte einen Tag später auch das Amt des Fraktionschefs niedergelegt. Sein Abgeordnetenmandat behielt er und sicherte der schwarz-gelben Regierungskoalition so ihre knappe Ein-Stimmen-Mehrheit im Kieler Landtag.

Es sei klar gewesen, "dass es irgendwann knallen wird", sagte Carstensen dem Abendblatt. Er habe am 13. Juli von Gerüchten erfahren und nach einer Auslandsreise mit von Boetticher gesprochen. Zwei Wochen später, am 28. Juli, habe der Spitzenkandidat sich gemeldet und die Gerüchte bestätigt.

Carstensen machte deutlich, dass er die Affäre nicht öffentlich gemacht habe. Auf die Frage, ob es sich um eine Intrige von Parteifreunden handele, antwortete er: "Jedenfalls nicht von mir." Dass Christian von Boetticher verheiratet sei, habe er erst vor Kurzem erfahren, sagte der Ministerpräsident. "Davon wusste ich nichts." Das habe "der Geschichte aber noch eine größere Dimension" gegeben.

Eine Rückkehr von Boettichers in eine politische Spitzenposition schloss Carstensen nicht aus. "Er ist ein großes politisches Talent. Daran hat sich nichts geändert. Wenn die Geschichte aufgearbeitet und genügend Zeit vergangen ist, kann ich mir ein Comeback vorstellen." Derzeit sei von Boetticher allerdings "körperlich und seelisch schwer getroffen", fügte der Ministerpräsident hinzu. "Jeder Arzt würde ihm abraten, jetzt seiner Arbeit nachzugehen."

Die Nord-CDU schloss gestern den personellen Neuanfang nach dem Boetticher-Rücktritt ab. Der Wirtschaftspolitiker Johannes Callsen, 45, ein Vertrauter des künftigen Parteichefs und Spitzenkandidaten Jost de Jager, 46, wurde zum Fraktionschef gewählt.

Christian von Boetticher blieb der Wahl fern. Im Kieler Landeshaus wird ohnehin erwartet, dass der 40-Jährige länger pausiert. Auch in der kommenden Woche, wenn der Landtag zu seiner ersten Tagung nach der Sommerpause zusammentritt, dürfte sein neuer Platz im Plenarsaal unbesetzt bleiben.

In der CDU gibt es für die Politikpause des ehemaligen Parteichefs viel Verständnis, bei den Grünen weniger. Von Boetticher habe erklärt, sein Mandat "aus Verantwortung für die bürgerliche Koalition" behalten zu wollen, sagte die Fraktionsmanagerin der Grünen, Monika Heinold. "Dazu gehört selbstverständlich die Teilnahme an den Landtagssitzungen."