Verantwortliche sehen Deutschland aber gegen Krawalle gerüstet

Hamburg. Brennende Häuser, geplünderte Geschäfte - die Bilder aus Großbritannien lassen auch in Deutschland die Angst vor einer Welle der jugendlichen Gewalt aufkommen. Besorgt zeigte sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Deren Vorsitzender Rainer Wendt sagte mit Blick auf Großbritannien: "Was sich dort abspielt, ist das Ergebnis gesellschaftlicher Fehlentwicklungen, die wir auch in Deutschland haben." Es gebe auch hierzulande schon jetzt hohe kriminelle Energie in manchen Teilen der Bevölkerung, sagte Wendt. "Wir sind in Deutschland glücklicherweise noch in der Lage, diese Risse in der Gesellschaft mit viel Geld zu verkleistern, das muss aber nicht immer so sein." Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend und die Nationale Armutskonferenz betonten, auch in Deutschland gebe es bei jungen Menschen zunehmend eine Perspektivlosigkeit.

Ganz anders bewertet dagegen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Situation. Er sagte, in der Bundesrepublik sei ein hohes Maß an Integration erreicht, sodass eine ähnliche Eskalation der Konflikte nicht zu erwarten sei. Allerdings zeigten auch hierzulande Ausschreitungen etwa bei Fußballspielen, dass es gewaltbereite Jugendliche gebe. Auf die Situation in Großbritannien bezogen sagte Friedrich, hier mische sich Hoffnungslosigkeit mit Lust an Gewalt.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, schätzt die Lage ähnlich ein: "Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass es in Deutschland Unruhen in dem Ausmaß geben wird, wie wir es derzeit in Großbritannien beobachten", sagte von Notz dem Abendblatt. "Dort klafft die Schere zwischen Arm und Reich wesentlich weiter auseinander, außerdem hat die Wirtschaftskrise das Land härter getroffen." Die Sparmaßnahmen der britischen Regierungen hätten das Gefühl für die soziale Spaltung noch verschärft. Deutschland müsse deswegen trotz des Spardrucks darauf achten, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt erhalten bleibe. "Bei Integration und Bildung darf niemand zurückgelassen werden", forderte von Notz.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sieht Berlin für den Fall von Ausschreitungen ähnlich wie in London gut gerüstet. "Wir hoffen, dass wir nicht in solch eine Situation kommen", sagte Körting der "Rheinischen Post". "Sollten jedoch in Berlin ähnliche Krawalle wie in englischen Städten auftreten, könnten wir in kürzester Zeit durch Unterstützung der Bereitschaftspolizeien der anderen Bundesländer und des Bundes eine hohe Polizeidichte erlangen." Die Hamburger Innenbehörde wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern, ob die Stadt auf eine ähnliche Situation wie in London vorbereitet sei.

Bernhard Witthaut, Chef der Polizeigewerkschaft GdP, warnte vor Panikmache. "Natürlich gibt es in Deutschland ein gewisses Maß an sozialem Sprengstoff", sagte Witthaut dem Hamburger Abendblatt. Gerade Städte wie Berlin oder Hamburg hätten Potenzial für Krawalle. Es sei möglich, dass es in den kommenden Wochen auch in Deutschland Versuche geben werde, die britischen Krawalle nachzuahmen. "Es wird aber bestimmt nicht solche Ausmaße annehmen, wie wir sie gerade in London und anderswo beobachten können." Die deutschen Sicherheitsbehörden seien auch besser vorbereitet.

Zudem sei die Bevölkerungsstruktur in Großbritannien eine ganz andere, aufgrund des fehlenden Meldewesens hielten sich dort viel mehr Menschen illegal auf. "Unseren britischen Kontaktpersonen zufolge ist es genau diese Bevölkerungsgruppe, die keine Perspektive mehr sieht und jetzt die Krawalle gesetzeswidrig ausnutzt, um sich zu bereichern." Zudem habe die britische Polizei eine ganz andere Einsatz-Philosophie. "Dort ist der Bobby der gute Polizist, der aber nicht generell für solche Einsätze ausgebildet ist. Die deutsche Polizei ist dagegen für solche Einsätze trainiert", sagte Witthaut. Er betonte, in Deutschland würde man nicht drei Nächte lang warten, bis man die Einsatzkräfte verstärke.

Witthaut zeigte sich allerdings besorgt angesichts von Berichten, denen zufolge die britischen Randalierer sich über die Kommunikationsplattform Blackberry Messenger (BBM) zu Plünderungen verabredet hätten. Dabei können die verschlüsselten Nachrichten anders als bei normalen Mobiltelefonen nicht sofort zurückverfolgt werden. Solche geschlossenen Kommunikationssysteme würden die Sicherheitsbehörden vor eine Herausforderung stellen, sagte Witthaut. Er fordert daher: "Wo die staatliche Grundordnung in Gefahr ist, muss es daher auch staatliche Kontrollmöglichkeiten solcher Kommunikationsformen geben."