Bei Verjährungsfristen zum Schutz der Opfer gehen Hamburgs Justizsenatorin Schiedek die Pläne der Bundesregierung nicht weit genug.

Berlin. Bis zur Gerechtigkeit, sofern es sie überhaupt geben kann, ist es ein langer Weg. Er ist mühsam, schmerzhaft - für viele Opfer sexueller Gewalt zu schmerzhaft, als dass sie ihn überhaupt beschreiten können. Eineinhalb Jahres ist es jetzt her, seit die Aufdeckung von Missbrauchsfällen erst in der katholischen Kirche und kurze Zeit später auch in evangelischen und weltlichen Einrichtungen die Republik erschütterten. Die öffentliche Empörung ist abgeklungen, die Arbeit an den Konsequenzen jedoch läuft auf Hochtouren.

Ein entscheidender Baustein in diesem Prozess ist ein neues Gesetz. Es soll die Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs stärken - vor allem dann, wenn sie zum Tatzeitpunkt noch im Kindes- oder Jugendalter waren. Es stammt von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und wurde noch vor der Sommerpause in erster Lesung im Bundestag behandelt.

Im Kern geht es bei dem Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) vor allem um eine Verlängerung der Verjährung zivilrechtlicher Ansprüche von drei auf 30 Jahre. Opfer können künftig also länger auf Schadenersatzansprüche hoffen. Den 16 Landesjustizministern geht das allerdings nicht weit genug. Sie wünschen sich auch im Strafrecht längere Verjährungsfristen. Bisher liegen diese beim sexuellen Missbrauch von Kindern bei zehn Jahren, bei besonders schweren Taten bei 20 Jahren.

Ob diese Fristen ausreichen, damit schwer traumatisierte Opfer sich rechtzeitig offenbaren können, daran zweifeln vor allem die Ressortchefs aus Hamburg und Bayern, Jana Schiedek (SPD) und Beate Merk (CSU). Sie fordern jetzt massive Nachbesserungen an dem geplanten Gesetz. "Der Ruf nach höheren Strafen wird dem Anliegen des Opferschutzes nicht ausreichend gerecht. Deshalb ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein Schritt in die richtige Richtung, er reicht aber nicht aus", begründete Justizsenatorin Schiedek gegenüber dem Abendblatt den Ruf nach einer deutlichen Verschärfung des Straf- und Prozessrechts.

Einig sind sich die Hamburger Justizsenatorin und ihre bayerische Amtskollegin darin, dass es nicht nur eine pauschale Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist geben darf. Während Hamburg fordert, dass die Verjährungsfrist erst ab dem 25. Lebensjahr des Opfers beginnen soll, will Bayern zugleich eine Anpassung an die geplanten Fristen beim Zivilrecht erreichen: "Die Opfer eines Gewaltdelikts oder von sexuellem Missbrauch tragen die Folgen meist ihr ganzes Leben mit sich herum. Häufig haben sie erst nach langer Zeit die Kraft und den Mut, Anzeige zu erstatten", so die Begründung der Justizministerin. Wenn dann die Verfolgung der Täter an der Verjährung scheitere, sei das ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Deshalb brauche man auch eine Verjährungsfrist von mindestens 30 Jahren. Im Interesse des Opferschutzes soll diese nach Worten Merks allerdings erst mit dem 21. Lebensjahr des Opfers anfangen und nicht wie bisher schon mit 18 Jahren.

Bislang handelt es sich beim sexuellen Missbrauch von Kindern, sofern es sich nicht um eine Vergewaltigung handelt, nach juristischer Definition um ein Vergehen, das mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet werden kann. Nach Ansicht der bayerischen Justizministerin soll zukünftig auch dieser "einfache" Missbrauch zu einem Verbrechen hochgestuft werden - so wie es beim Straftatbestand der Vergewaltigung längst der Fall ist. Dann nämlich könnte der Strafrahmen für den Täter weitaus schärfer ausfallen: mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe, maximal 15 Jahre könnten verhängt werden. Die CSU-Politikerin betont: "Die sexuelle Ausbeutung von unschuldigen und wehrlosen Kindern ist eine der widerwärtigsten Straftaten überhaupt. Wenn das kein Verbrechen ist, was bitte dann?" Es sei ihr unverständlich, warum der Grundfall des Kindesmissbrauchs immer noch nur ein Vergehen sei. Das müsse sich ändern. Damit würden auch endlich Wertungswidersprüche beseitigt, so Merk: "Jeder Handtaschenraub ist rechtlich ein Verbrechen, der sexuelle Missbrauch eines Kindes aber nicht. Das ist doch nicht nachvollziehbar und erschüttert das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat." Deutlichen Verbesserungsbedarf sehen Hamburg und Bayern zudem im Umgang mit Opfern in Strafverfahren. Merk fordert grundsätzlich den Ausschluss der Öffentlichkeit, falls Minderjährige geschädigt wurden. "Wenn wir den jugendlichen Täter durch eine nicht öffentliche Hauptverhandlung schützen, muss es eine Selbstverständlichkeit sein, die jugendlichen Opfer ebenso zu schützen", so die Ministerin.

Schiedek fordert einen intensiveren und einfühlsameren Umgang mit Opfern, bei dem auf deren Bedürfnisse eingegangen werde. "Das geschieht bisher zu wenig", sagte sie. Ein Ansatz sei ein verstärkter Dialog mit den Opfern. "So kann eine Anhörung des Opfers einer schweren Straftat vor einer Einstellung des Strafverfahrens helfen, das Opfer einzubeziehen und ihm die Entscheidung verständlich zu machen."