Ministerien sollen die Budgets kürzen, um Entlastungen zu ermöglichen. FDP-Chef Philipp Rösler nimmt den Finanzminister in die Pflicht.

Berlin. Wolfgang Schäuble lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Unbeeindruckt von dem Steuersenkungsbeschluss der drei Parteichefs der schwarz-gelben Koalition verweist der Finanzminister auf die angespannte Haushaltslage. Nur einen Tag nach der schriftlich fixierten Grundsatzentscheidung, ab dem 1. Januar 2013 die Bürger zu entlasten, hieß es aus dem Umfeld des CDU-Politikers: Die FDP solle sich eine Steuerentlastung gefälligst durch Einsparvorschläge im Bundeshaushalt verdienen. Spielräume könnten sich nur durch zusätzliche Einsparungen sowie den Verzicht auf großzügige Sicherheitspuffer ergeben. So sieht es laut "Focus"-Bericht das Schäuble-Lager. Ohne Sparvorschläge der Minister gebe es keine Entlastungen.

Selbst in der Union, die zuletzt das wiederholte Vorpreschen der FDP in Sachen Steuersenkungen kritisch begleitet hatte, sorgte Schäubles klare Ansage für Irritationen. "Ich erwarte, dass Wolfgang Schäuble jetzt selbst Vorschläge macht, wie er Steuersenkungen kompensieren will", sagte der Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Josef Schlarmann, dem Abendblatt. Als Finanzminister sei Schäuble schließlich auch oberster Sparkommissar. "Diese Aufgabe an Fachressorts oder an die FDP wegzudelegieren, hilft nicht viel weiter", so das CDU-Vorstandsmitglied.

Schlarmann räumte ein, dass die Ausgaben weiter ansteigen würden und angesichts der Kosten von Energiewende und Euro-Rettung die Spielräume für Steuerentlastungen recht eng seien.

Prompt fragten sich die Koalitionsparteien gestern, wo eigentlich noch Sparpotenzial zum Wohle von Steuersenkungen wäre? Es gebe gar keinen Spielraum, riefen unisono die Ministerpräsidenten der Länder in Richtung Berlin. Konkrete Sparvorschläge blieben entsprechend Mangelware. FDP-Chef Philipp Rösler wollte Schäuble in diesem Punkt auch nicht aus der Pflicht entlassen: "Offensichtlich ist der Finanzminister mit seinen eigenen Einsparungen nicht ganz so zufrieden", sagte Rösler. Für alle weiteren Entscheidungen über Steuersenkungen sei es nun Aufgabe der Finanzpolitiker und Haushälter der Regierungsfraktionen in Zusammenarbeit mit Schäuble, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der im November noch vor der Verabschiedung des Bundeshaushalts 2012 vorgelegt werden soll. Die Wachstumsprognose der Bundesregierung, die im Oktober erwartet werde, solle man vorher aber abwarten.

CDU-Mittelstands-Chef Schlarmann forderte, sich für mögliche Einsparungen vor allem den Bereich der Subventionen vorzunehmen. "Oberstes Gebot ist jetzt eine Senkung der Staatsausgaben", sagte er. "Vor allem bei den Subventionen gäbe es viele Stellen, an denen man ansetzen könnte. So ist etwa die jüngste Subvention für die Autobranche, um die Entwicklung von Elektromobilität zu unterstützen, völlig fehl am Platz", monierte der CDU-Politiker. Darum müsse sich die Industrie selbst kümmern und nicht der Steuerzahler, verlangte Schlarmann. Sein nächster Vorschlag: "Bei den erneuerbaren Energien könnten bei der Solarförderung Milliarden eingespart werden. Diese Subvention ist eine grandiose Fehlinvestition: Die volkswirtschaftlichen Kosten sind höher als der Ertrag."

Dass es ohne Sparwillen in den Ministerien kaum zu Entlastungen kommen kann, darauf verwies auch der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle. Der CDU-Politiker sagte dem Abendblatt, dass die Nettoneuverschuldung im Jahr 2013 trotz der hervorragenden konjunkturellen Entwicklung voraussichtlich 25 Milliarden Euro betragen werde. Im Herbst werde man entscheiden, ob und in welchem Umfang man Korrekturen an der sogenannten kalten Progression vornehmen könne. "Eins ist aber klar: Nach der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse können mit konjunkturellen Steuermehreinnahmen keine dauerhaften Steuerentlastungen finanziert werden", mahnte Barthle. "Ich gehe deshalb davon aus, dass die Bundesregierung auch strukturelle Gegenfinanzierungsvorschläge machen wird", ließ der Chefhaushälter der Union das Kabinett wissen. Er betonte: "Die Einhaltung der Schuldenbremse ist verfassungsrechtlich geboten, steht nicht zur Disposition und ist ein Kernthema der christlich-liberalen Koalition."