Unions-Fraktionschef Volker Kauder will Spielräume für Steuersenkungen im Herbst ausloten. Die Haushaltssanierung gehe jedoch vor.

Berlin. Wenn die Politik die Hartz-IV-Sätze erhöht, dann muss sie auch an die Arbeitnehmer denken, ist Volker Kauder (CDU) überzeugt. Für ihn steht allerdings fest: Die Haushaltssanierung geht vor. Die Arbeit mit der FDP bewertet er positiv.

Hamburger Abendblatt: Herr Kauder, wie viel Freude haben Sie zurzeit an Ihrem Koalitionspartner?

Volker Kauder: Unsere Zusammenarbeit funktioniert. Wir haben in dieser Woche im Bundestag die Neuausrichtung unserer Energiepolitik beschlossen. Das ist ein für das Land nun wirklich zentrales Projekt. Wir ziehen die Lehren aus der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Anders als damals Rot-Grün haben wir nun vor allem ein realistisches Konzept für den Einstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Außerdem werden die Anti-Terrorgesetze verlängert, was uns von der Union ganz wichtig war. Wir haben einen Konsens über das Wahlrecht erzielt. Es läuft also.

Viele Bürger nehmen vor allem Streit wahr. Was erwarten Sie von der FDP-Klausurtagung?

Kauder: Ich denke, dass auch unser Koalitionspartner weiß, dass wir Zustimmung nur durch solide Regierungsarbeit und vor allem Geschlossenheit erhöhen können.

Die FDP pocht auf Steuersenkungen, Finanzminister Schäuble sperrt sich. Ist mehr drin als eine Mini-Entlastung?

Kauder: Erst einmal: Entlastungen werden kommen. Und zwar aus Gründen der Gerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass die Lohnerhöhungen der Arbeitnehmer zu einem Großteil immer gleich von der Steuer aufgefressen werden. Arbeit muss sich lohnen. Die kalte Progression muss geändert werden. Wir können nicht einerseits die Hartz-IV-Sätze erhöhen und andererseits immer sagen, Entlastungen für die Arbeitnehmer sind nicht drin. Wie groß die Spielräume sind, werden wir uns im Herbst anschauen. Die Haushaltssanierung hat Vorrang. Darin hat der Bundesfinanzminister recht.

Was muss der Koalition nach der Sommerpause außerdem gelingen?

Kauder: Wir wollen ein Gesamtpaket schnüren, das neben den Steuerentlastungen auch die Senkungen im Bereich der Sozialabgaben beinhaltet. Das hilft denjenigen, die keine Steuern zahlen, und auch den Unternehmen. Wir wollen damit auch einen Beitrag leisten, dass wir in Deutschland auf einem Wachstumspfad bleiben. Das wichtigste Projekt ist aber, langfristig die Stabilität des Euros sicherzustellen. Das ist die Megaaufgabe für den Rest der Legislaturperiode.

Der Bundespräsident stört sich daran, dass Union und FDP - anders als die Grünen - den Atomausstieg nicht von Parteitagen bestätigen lassen. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Kauder: Nein. Ich glaube, es hat noch nie eine so breite politische Debatte in so kurzer Zeit gegeben wie zur Neuformulierung des Energiekonzepts. Zunächst hat die Ethikkommission als überparteiliches Gremium - vielleicht ist dies schon vergessen - Vorschläge vorgelegt. Sie waren eine Art Richtschnur auch für die Koalition. Die Grünen haben in die Kommission übrigens keine Vertreter entsandt. Aber auch in der Union lief in den vergangenen Wochen eine intensive Diskussion bis in alle Kreisverbände. Die Bundestagsfraktion war intensiv wie kaum zuvor bei einem großen Projekt in die Erarbeitung des Konzepts eingebunden.

Sind die Grünen ein möglicher Koalitionspartner?

Kauder: In einer Demokratie sollten grundsätzlich alle demokratischen Parteien prinzipiell koalitionsfähig sein. Mein Wunschkoalitionspartner ist und bleibt aber die FDP.

In Hamburg zielte die FDP auf eine sozialliberale Koalition. Ein Szenario auch für den Bund?

Kauder: Das müssen Sie die Liberalen fragen. Ich glaube, die FDP fühlt sich mit uns sehr wohl.