Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellte den Verfassungsschutzbericht 2010 vor. Politisch motivierte Gewalt im Norden geht zurück.

Berlin. Die Zahl der Islamisten in Deutschland steigt laut Verfassungsschutzbericht 2010 weiter an. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verwies bei der Vorstellung des Berichts am Freitag in Berlin zugleich auf die anhaltende Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Auch nach dem Tod von Al-Qaida-Anführer Osama Bin Laden habe sich daran nichts geändert.

Der Erhebung des Verfassungsschutzes zufolge gab es Ende 2010 bundesweit 29 aktive islamistische Organisationen mit rund 37 470 Mitgliedern. Dies bedeutet einen Zuwachs um 2700 Personen in den vergangenen zwei Jahren. Friedrich wies besonders auf die am schnellsten wachsende Gruppe der Salafisten hin. Nach Angaben von Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm sei nicht jeder Salafist ein Terrorist, "aber fast alle Terroristen, die wir kennen, hatten Kontakt zu Salafisten oder sind Salafisten". Dem Salafismus wird auch der zum Islam konvertierte Pierre Vogel zugerechnet. Der Prediger hat für den 9. Juli einen Auftritt in Hamburg angekündigt.

Der Verfassungsschutz sieht keinen Anlass, seine Einschätzung zur Partei Die Linke zu ändern. Zugleich werde die derzeitige Debatte der Partei zum Thema Antisemitismus genau verfolgt, sagte Verfassungsschutz-Chef Fromm.

Obwohl die politisch motivierten Gewalttaten insgesamt zurückgegangen sind, sorgen sich die Verfassungsschützer wegen der steigenden Zahl der gewaltbereiten Aktivisten auf beiden Seiten und haben die Beobachtung links- und rechtsextremistischer Gruppierungen daher verstärkt. "Wir haben die Gefahr einer Gewaltspirale", warnte CSU-Politiker Friedrich. Die Zahl gewaltbereiter Linksextremisten, besonders der Autonomen, stieg im vergangenen Jahr von 6600 auf 6800. Bei den Rechtsextremisten wuchs dieses Potenzial um 500 auf 9500 Personen.

Insgesamt stellte der Verfassungsschutz bei den Rechtsextremisten einen leichten Rückgang auf 25 000 Personen fest. Zugleich registrierte der Verfassungsschutz strukturelle Veränderungen in der Szene: "Den Skinheads ist der Nachwuchs ausgegangen", sagte Fromm. Doch vor allem die Gruppe der neonazistischen "Autonomen Nationalisten" gewinnt offenbar neue Mitglieder hinzu. Diese Gruppe ist aber schwerer zu erkennen, da sie Kleidungsstil und Aktionsformen von linksextremistischen Autonomen übernommen hat.

Der Verfassungsschutzbericht zeigt allerdings auch, dass extremistische Gewalttaten in den nördlichen Bundesländern in 2010 zurückgegangen sind. So sank in Hamburg die Zahl der rechten Gewalttaten in 2010 im Vergleich zum Vorjahr von 30 auf 21, in Niedersachsen von 113 auf 80, in Schleswig-Holstein von 60 auf 37 und in Mecklenburg-Vorpommern von 29 auf 36. Ähnlich sieht es auf der anderen Seite des politischen Spektrums aus: Linksextreme verübten 2010 in Hamburg 27 Gewalttaten, im Vorjahr hatte die Zahl noch bei 37 gelegen. Den Großraum Hamburg sehen Verfassungsschützer allerdings nach wie vor als einen Schwerpunkt für gewaltbereite Linksextremisten. In Niedersachsen fiel die Zahl linker Gewalttaten von 161 auf 109 Taten, in Schleswig-Holstein blieb sie mit 64 (zuvor 67) fast gleich. Mecklenburg-Vorpommern verzeichnet einen leichten Anstieg von 20 auf 24 Fälle.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) bestätigte die Beobachtungen der Verfassungsschützer. Dem Abendblatt sagte Caffier, zwar sinke die Zahl der rechten Gewalttaten in seinem Land. "Gleichwohl ist eine Zunahme von Aggressivität bei den Handlangern der NPD gerade im laufenden Landtagswahlkampf spürbar." Aber auch ein Anwachsen des gewaltbereiten linksextremistischen Personenpotenzials, das vor schweren Straftaten nicht zurückschrecke, sei zu beobachten.