Zu wenige Bewerber für den neuen sozialen Dienst. Familienministerium hält Start des Zivildienst-Nachfolgers dagegen für erfolgreich.

Hamburg. Zum heutigen Start des neuen Bundesfreiwilligendienstes (BFD) warnen Wohlfahrtsverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein vor Personalmangel und Pflegeengpässen. Es gebe zu wenige Bewerber für den neuen sozialen Dienst. Der BFD löst den bisherigen Zivildienst ab, der jetzt zusammen mit der Wehrpflicht ausgesetzt ist. Die Freiwilligen bekommen ein Taschengeld von 330 Euro und sind sozialversichert.

Nach Angaben des Diakonischen Werks in Hamburg seien nur 40 Bewerbungen für die 200 BFD-Stellen des Diakonischen Werks eingegangen. Diakonie-Sprecher Steffen Becker macht dafür die Politik verantwortlich: "Die ganze Sache wurde übers Knie gebrochen, ohne vorher die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen zu klären", sagte Becker dem Abendblatt. So sei noch bis November nicht klar, ob junge BFDler weiterhin ihr Kindergeld bekämen. "Es sieht zwar danach aus, aber eine Garantie können wir den Bewerbern bis zum endgültigen Beschluss der Politiker nicht geben", sagt Becker. Zunächst würden die Einrichtungen versuchen, das Defizit durch Teilnehmer des Freiwilligen Sozialen Jahres - ein Freiwilligen-Programm auf Länderebene - oder durch Aushilfskräfte zu überbrücken. Möglicherweise müsse man auch Zusatzangebote streichen.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) ab. "Wir können die Bewerber an zehn Fingern abzählen", berichtete Rainer Barthel vom DRK-Landesverband Hamburg dem Abendblatt. Dabei seien eigentlich 30 Stellen zu besetzen. Zwar breche durch den Freiwilligenmangel nicht die Verbandsarbeit zusammen, die Zivildienstleistenden hätten aber auch mal Aufgaben übernommen, für die im üblichen Betrieb keine Zeit sei. In Zukunft werde man hierfür wohl auf 400-Euro-Jobber zurückgreifen müssen. Auch der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) wird auf diese Lösung zurückgreifen müssen. Dort gibt es für die 35 freien BFD-Stellen nur fünf Bewerber. "Der Freiwilligendienst ist einfach noch nicht richtig in den Köpfen angekommen, der Bund hat die Sache viel zu spät und zu schlecht beworben", kritisierte ASB-Sprecher Remmer Koch. Auch in Schleswig-Holstein berichteten Verbände von ausbleibenden Freiwilligen.

Im Gegensatz dazu wird im Bundesfamilienministerium die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes schon jetzt als gelungen angesehen. "Die Nachfrage nach dem Bundesfreiwilligendienst nimmt an Fahrt auf", sagte Staatssekretär Josef Hecken dem Abendblatt. Zum Start des Programms rechne man "mit gut 3000 Freiwilligen". Allein die Caritas habe bundesweit bereits rund 400 Verträge abgeschlossen und rechne mit 3000 Bundesfreiwilligen mehr. "Das ist ein echter Erfolg, wenn man bedenkt, dass mit dem Freiwilligendienst etwas völlig Neues aus dem Boden gestampft wurde und wir nur wenige Wochen Zeit hatten, um zu informieren und den Dienst bekannt zu machen", betonte Hecken. Seinen Angaben zufolge haben von den bislang 19 700 aktiven Zivildienstleistenden 14 300 freiwillig verlängert. "Rechnet man noch die gut 3000 Freiwilligen dazu, die sich neu verpflichtet haben, so haben wir die Lücke zum Zivildienst zahlenmäßig fast geschlossen."

Hecken entgegnete den BFD-Kritikern: "Die offenen Fragen wie der Bezug des Kindergeldes sind alle längst im Sinne der Freiwilligen entschieden, die Finanzierung und die Förderung des Bundes stehen - jetzt sind die Verbände, Träger und Einsatzstellen gefordert, attraktive Plätze einzurichten und Freiwillige zu werben." Bislang hätten die Einrichtungen die Zivildienstleistenden gleichsam frei Haus bekommen. Das ändere sich jetzt, nun müssten sich auch die Träger ändern: "Wer keine interessanten Tätigkeiten anbieten kann und nicht auf sein Angebot hinweist, der wird kaum Freiwillige gewinnen."