Von einem Schulfrieden sind beide noch ein ganzes Stück entfernt. Philologen sehen auch Gefahren eines zweigliedrigen Schulsystems.

Hamburg/Berlin. Es ist ja nicht so, als gäbe es nicht schon genug Baustellen der schwarz-gelben Koalition in Berlin. In der Atompolitik streiten Union und FDP über den richtigen Weg zur Energiewende, und auch bei Anti-Terror-Gesetzen und der Euro-Rettung stehen Schwarz und Gelb im Clinch. Und nun auch noch die Schulpolitik.

Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Patrick Meinhardt, kritisiert Annette Schavans Abschied vom dreigliedrigen Schulsystem. Die Bildungsministerin und CDU-Politikerin hatte im Hamburger Abendblatt die Zusammenlegung von Hauptschulen und Realschulen zu einer Oberschule gefordert. Nun bekräftigte Schavan ihr Ziel noch einmal in der "Welt". Für Meinhardt zeugt dieser Vorstoß von "wenig Realitätsnähe der Ministerin in der Schulpolitik". Wo es nötig sei, solle die Hauptschule erhalten bleiben. Deutschland brauche "keinen oberlehrerhaft verordneten Weg" der Zweigliedrigkeit, sagte Meinhardt dem Abendblatt. "In der einen Region ist es gut und richtig, eine starke Hauptschule fortzuführen. Bundesländer wie Sachsen haben dagegen gezeigt, dass ein zweigliedriges Schulsystem vor allem dann Erfolg hat, wenn Lehrer, Eltern und Schüler dies auch wollen", hob Meinhardt hervor. Der Hamburger Volksentscheid hätte für die CDU eine Warnung sein müssen, der sie in schulpolitischen Fragen auf den Boden der Realität hole, so der FDP-Politiker.

Laut Ministerin Schavan werde es bald 35 Prozent weniger Schüler geben. Darauf müsse Deutschland sich einstellen. Denn Eltern wünschten, dass ihre Kinder es nicht weit zur Schule hätten. Die neu geschaffenen Oberschulen sollen dann sowohl den Hauptschulabschluss anbieten als auch den der Realschule. Schavan hob hervor, dass das pädagogische Konzept der Hauptschule auch in einem zweigliedrigen Schulsystem Eingang finden müsse.

Doch nicht nur zwischen CDU und FDP, sondern auch innerhalb der Union gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft der Hauptschule. So will die CSU am dreigliedrigen Schulsystem festhalten. Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle sagte, aus seiner Sicht sei die "Auflösung einer Kernschulart nicht der richtige Weg".

In vielen Ländern wie Hamburg und Berlin ist die Hauptschule bereits abgeschafft oder mit der Realschule fusioniert. Im Osten der Republik sind sie ohnehin nicht bekannt. Durch Reformen der Länder ist inzwischen eine Vielzahl an verschiedenen Schularten entstanden. Dort, wo es Hauptschulen noch als eigenständige Schulart gibt, genießen sie oft einen schlechten Ruf. Was jedoch überall bleibt, sind die leistungsschwächeren Schüler. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger, hält die Debatte um die Oberschule daher auch für irreführend. "Wenn die CDU sich nun vom dreigliedrigen Schulsystem verabschiedet, ist das Problem längst nicht gelöst", sagte Meidinger dem Abendblatt. Bei einer Fusion von Hauptschule und Realschule würden sowohl die Hauptschüler als auch die Realschüler verlieren. Zum einen vermindere sich für Hauptschüler die stark berufsorientierte Bildung, zum anderen müsste die Realschule das Niveau ihrer Bildung senken, hob Meidinger hervor. "Entscheidend ist, dass Deutschland verschiedene Abschlussmöglichkeiten ermöglicht. Deshalb sollten wir innerhalb der Schulen weiterhin eine abschlussbezogene Differenzierung aufrechterhalten", sagte Meidinger.

Bildungsministerin Schavan verwies bei dem Weg zur Oberschule auf die CDU-regierten Länder Sachsen und Thüringen. Sie hätten mit dem zweigliedrigen System gute Erfahrungen gemacht. In der Tat schneiden die Bundesländer bei den Bildungstests gut ab. Der Westen folgt ihrem Modell. Doch gab Meidinger zu bedenken, dass es auch Probleme mit der Zweigliedrigkeit gebe: Im viel gelobten Sachsen gibt es "eine nicht geringe Zahl von Schulabbrechern sowie eine relativ hohe Zahl von Schülern auf Förderschulen".

Von einem Schulfrieden sind FDP und Union noch ein ganzes Stück entfernt. Auf den Parteitagen im November sollen die Leitlinien der künftigen Bildungspolitik abgesteckt werden. Einig ist man sich bisher vor allem in einem: Das Gymnasium soll in jedem Fall erhalten bleiben.