Das Konzept von CDU und FDP sieht eine Zusammenfassung von Real- und Hauptschule vor. SPD und Grüne signalisieren Kooperationsbereitschaft.

Lüneburg. In die niedersächsische Schullandschaft kommt Bewegung. Eine neue Schulform macht Furore: die Oberschule. Bislang ist im Landesschulgesetz die Dreiteilung in Gymnasium, Real- und Hauptschule festgeschrieben. Ergänzend können Integrierte Gesamtschulen (IGS) eingerichtet werden. Alle weiteren Bestrebungen der Opposition, etwa die flächendeckende Einrichtung von Gesamtschulen, hat die CDU bisher immer abgelehnt und ihr eigenes Konzept entwickelt, das vor allem in ländlichen Regionen offenbar guten Zuspruch findet.

Ende 2010 hat die schwarz-gelbe Landesregierung ihr neues Konzept auf den Tisch gelegt, das ab kommendem Schuljahr umgesetzt werden könnte, wenn der Landtag zustimmt. Nach den Vorstellungen von CDU und FDP sollen ab der fünften Klasse Real- und Hauptschulen zu sogenannten Oberschulen zusammengefasst werden. Sie sollen die kooperativen Gesamtschulen ersetzen. Die Schüler sollen bis Klasse acht je nach Leistungsvermögen in Fachkursen unterrichtet werden. Alle Oberschulen bieten ihren Schülern Haupt- und Realschulabschlüsse an. Zusätzlich kann ein gymnasialer Zweig etabliert werden. Dafür müssen jedoch genügend Anmeldungen für drei Klassenzüge vorliegen. Bei Oberschulen ohne gymnasialen Zweig ist die Zweizügigkeit der Klassen ausreichend. Über die Einrichtung von Oberschulen entscheiden die Kommunen selbst. Auf längere Sicht bedeutet die Einführung der Oberschule die Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem in Niedersachsen.

Das sieht auch Franz-Josef Kamp, SPD-Fraktionsvorsitzender im Lüneburger Kreistag so. "Die CDU hat sich von der Dreigliedrigkeit verabschiedet. Wir gehen aufeinander zu. Und wenn wir Verbesserungen in der Schullandschaft haben können, sollten wir sie nutzen", sagt er. Das heißt nichts anderes, wie es Kamp formuliert, als dass im Kreis Lüneburg pragmatische Bildungspolitik gemacht werden soll. Die rot-grüne Mehrheitsgruppe im Kreistag nimmt den Ball der CDU/FDP-Koalition in Hannover auf. So liegen für den heutigen Schulausschuss bereits entsprechende Anträge vor.

"Wir beantragen, dass der Landkreis Lüneburg als Schulträger der bestehenden Haupt- und Realschulen unter der Beteiligung der Schulen und der Landesschulbehörde prüft, ob eine Umwandlung der Haupt- und Realschule (HRS) Adendorf, HRS Bardowick, HRS Dahlenburg, HRS Scharnebeck zu einer Oberschule zum 1. August an den jeweiligen Standorten aus pädagogischer und struktureller Sicht sinnvoll ist", heißt es im Antrag. Kamp sagt, Oberschulen seien eine qualifizierte Verbesserung der Haupt- und Realschulen und nennt mehrere Punkte: "In der Oberschule gibt es zwei verpflichtende Tage mit Ganztagsbetreuung, es findet gemeinsamer Unterricht beider Schulformen im Kurssystem statt, die Klassengrößen sinken von 33 auf 28 Schüler." Die Schulen sollen über die einzelnen Varianten und Möglichkeiten selber bestimmen.

Insgesamt werde ein bisher starres System flexibler. Jedoch, so betont Kamp, sei die Oberschule keine Gesamtschule. Deshalb halte die Mehrheitsgruppe an ihrem Plan fest, eine Elternbefragung für die Einrichtung einer zweiten Integrierten Gesamtschule (IGS), die am Schulzentrum Embsen eingerichtet werden soll, auf den Weg zu bringen. "Wir setzen auf eine vielfältige Bildungsregion im Landkreis mit verschiedenen Schulformen. Dadurch haben die Eltern mehr Auswahl und die Schulen müssen miteinander konkurrieren."

Martin Köne, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag, sagt, entschieden sei noch nichts über die Umwandlung der Haupt- und Realschulen in Oberschulen. "Wir machen bestenfalls einen kleinen Schritt mit dem Prüfauftrag. Denn letztlich müssen die Schulen entscheiden, was sie wollen." Dennoch könne von Fundamentalopposition der Grünen gegen die Oberschule keine Rede sein, so Köne. "Weil integrierte Systeme schulpolitisch besser sind", sagt er.

Grünes Licht für die Oberschule gibt es bereits aus Adendorf. "Der Schulvorstand der Schule am Katzenberg hat sich am 13. Januar für die Umwandlung in eine Oberschule ausgesprochen", heißt es in der Vorlage zum Schulausschuss. Schulleitungen und Kollegien der Standorte Dahlenburg und Scharnebeck stünden der Einrichtung einer Oberschule positiv gegenüber. Entsprechende Schulvorstandsbeschlüsse stehen aber noch aus, Sitzungen zu diesem Thema sind schon terminiert. In der HRS Bardowick finden zurzeit Dienstbesprechungen statt, der Meinungsbildungsprozess läuft noch.

Auslöser für den Vorstoß mit der Oberschule ist die für die kommenden Jahre prognostizierte Entwicklung der Bevölkerungszahlen in Niedersachsen. In den nächsten zehn Jahren werden 230 000 Schüler weniger als heute die Schulen im Land besuchen. In einigen Regionen rechnet die CDU in den nächsten zwei Jahrzehnten sogar mit einem Schülerschwund von bis zu 40 Prozent. Während die Gymnasien weniger Nachwuchssorgen haben, trifft es vor allem die Hauptschulen in vielen Städten und Landkreisen hart. Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) will mit seinem Konzept der Oberschule vor allem wohnortnahe Angebote und die Vielfalt der Schultypen auf dem Land insgesamt stärken. "Wir stellen damit die Weichen für Niedersachsen richtig. Unsere Schulen werden mit Blick auf den demografischen Wandel zukunftssicher aufgestellt", betont der Kultusminister.

Auch andere Bundesländer haben bereits in der Vergangenheit mit der Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen auf die sinkenden Schülerzahlen reagiert. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Hannover hat dies bisher mit dem Argument abgelehnt, die Hauptschule müsse gestärkt werden. Die Unterschiede zwischen der geplanten Oberschule, die als Ganztagsschule geplant ist, und der von SPD und Grünen favorisierten Gesamtschule ist marginal, gibt auch Althusmann zu: "Auch die Oberschule wird integrative Elemente haben, das wird sich aufgrund der zurückgehenden Schülerzahlen gar nicht vermeiden lassen."

Die Opposition lehnt die Reformvorschläge der CDU ab. Sie fordert die Hürden für die Gründung einer IGS zu senken. Bisher müssen Anmeldungen für fünf Klassenzüge vorliegen, um eine Einrichtung einer integrierten Gesamtschule. Nur in Ausnahmefällen sind vier Züge ausreichend. Das ist nach Meinung der Opposition zu viel. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Landeselternrat teilen diese Ansicht.